Das Vermächtnis der Montignacs
Trauerfeier Billard spielten. Jeder schien zufrieden. Aber wie auch nicht, die Leute liebten Beerdigungen.
»Danke, Margaret«, erklang es aus dem Zimmer.
Ein Dank, der gleichzeitig bedeutete, dass sie gehen konnte. Margaret nickte und machte kehrt. Auf der halben Treppe blieb sie stehen, ordnete ein Blumengesteck auf der Fensterbank und nutzte die Zeit, um zu entscheiden, was sie tun oder wohin sie gehen sollte. An diesem Tag war sie auf ihren Owen stolz gewesen, stolzer als in den letzten zehn Jahren, als ihre Liebe für ihn abrupt ins Gegenteil umgeschlagen war. Seine Worte in der Kirche hatten sie überrascht und bewegt. Hatte es jemals einen Jungen gegeben, der seinen Onkel dermaÃen geliebt hatte? Diesen Jungen, den ich aufgezogen habe , ging es ihr durch den Sinn. Der mir ebenso wie ihnen gehört. Diesen Jungen, den ich gerettet habe . Wieder verharrte sie reglos, den Blick in die ferne Vergangenheit gerichtet, auf die Kinder, die Bilder, die mit Fingerfarben gemalt worden waren, die Umarmungen, ihre Kleinen.
Eine Dame, bei deren Ehemann es sich um den früheren Innenminister im Billardzimmer handelte, kam aus dem Salon, streckte eine Hand im Samthandschuh aus und tippte Margaret mit der Fingerspitze auf den Arm, als dächte sie, Dienstboten könnten verseucht sein, sodass man sich ihnen besser mit Vorsicht näherte.
»Miss Richmond, oder?«, fragte sie.
»Ja, Maâam.«
»Könnte es sein, dass eine frische Kanne Tee zu viel Mühe macht? Ich habe eines dieser jungen Mädchen darum gebeten. Sie hat durch mich hindurchgesehen, als wäre ich das Lästige in Person.«
»Kommt sofort, Maâam«, entgegnete Margaret, die froh war, wieder eine Aufgabe zu haben, froh, gebraucht zu werden. »Für das Mädchen bitte ich um Entschuldigung. Ich erledige das sofort.«
In dem kleinen Zimmer rechts von der Küche saà Annie, die Köchin, und ruhte sich aus. Der GroÃteil der Speisen war am Vorabend vorbereitet und die frischen Sandwiches am Morgen hergerichtet worden, deshalb hatte sie im Moment kaum etwas zu tun, auÃer darauf zu warten, dass die Gäste aufbrachen und sie den Aushilfen erklären konnte, wo sauber gemacht werden musste. Obwohl Margaret Richmond sich wahrscheinlich auch darum kümmern würde. Annies Nichte Millie, ein Mädchen aus dem Ort, kam und brachte ihr eine Tasse Tee. Millie gehörte zu den Aushilfen, die nur für diesen Tag engagiert worden waren, hoffte jedoch, daraus würde etwas Festeres werden.
»Tut mir leid, mein Mädchen«, sagte Annie kopfschüttelnd. »Aber die Aussichten stehen schlecht. Offen gestanden glaube ich nicht, dass ich mich hier selbst noch für längere Zeit halte.«
»Aber du bist doch schon seit Jahren hier«, erwiderte Millie.
»Erst seit acht Jahren. Für eine alte Familie wie die Montignacs ist das nicht mehr als ein Tag. Ab sofort wohnen hier nur noch zwei von ihnen, und wozu sollten die eine Köchin brauchen? Dieser Owen hält sich kaum noch hier auf, sondern treibt sich ständig in London herum, weià der Himmel, was er dort macht. Und Stella â« Annie verdrehte die Augen. Seit ihre Arme schwammig geworden waren und ihre Taille verschwunden war, missbilligte sie junge Frauen. »Stella benimmt sich nicht besser als unbedingt nötig. Wenn ich demnächst meine Papiere bekäme, würde es mich nicht wundern.«
Millie runzelte die Stirn. Demnach würde sie woanders nach einer Stelle suchen müssen, zu einer Zeit, in der es kaum nennenswerte Alternativen gab. »Wie war er überhaupt?«, erkundigte sie sich und lieà sich auf einem Stuhl neben ihrer Tante nieder.
»Wer?«
»Mr Montignac. Der heute begraben wurde.«
Annie zuckte mit den Schultern. »Eigentlich ganz in Ordnung. Ich habe jedenfalls schon Schlimmere erlebt. Weder sehr freundlich noch bewusst unhöflich. Es hieà immer, früher sei er ganz anders gewesen, ehe sein Sohn starb. Sein einziger Sohn, muss man dazu sagen, denn dieser Owen ist ja nicht von ihm. Im Grunde kannte ich ihn nicht gut genug, um ihn richtig beschreiben zu können. Nur die Art, wie er gestorben ist, die war ein Schock.«
»Wieso?«
»Weil man nie den Eindruck hatte, dass er auf der Schwelle des Todes stand. Natürlich hatte er Probleme. Das Herz, der Magen â überhaupt jede erdenkliche Krankheit, wie es manchmal schien. Diesem Arzt da hat
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