Das Vermächtnis der Montignacs
rufen.«
»Danke, Mrs Richmond.« Sir Denis winkte sie hinaus. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, wären wir jetzt lieber allein.«
Margaret eilte aus der Bibliothek und schloss die schweren Flügeltüren hinter sich. Als Montignac sich wieder umkehrte, lag der Anflug eines Lächelns auf seinem Gesicht.
»Sie scheint ein wenig konfus zu sein«, sagte er.
»Sie hat das Testament bezeugt«, erklärte Sir Denis. »Dass es gleich verlesen wird, könnte ihr zu schaffen machen.«
Montignac zuckte mit den Schultern, fragte sich, warum das der Fall sein sollte, und gab einen kleinen Schuss Milch in seinen Kaffee.
Nur in einer Galerie auf der Cork Street waren zur dieser Morgenstunde schon die Lichter an. Es war die noble Clarion, die neben der Threadbare lag. Im Vorbeigehen warf Montignac einen Blick hinein und erkannte Arthur Hamilton, den Geschäftsführer, der zusammen mit einigen Assistenten die Deckel mehrerer groÃer Holzkisten aufstemmte. Arthur entdeckte Montignac und hob grüÃend die Hand. Zwar war er um einiges älter als Montignac und hatte in der Cork Street schon gearbeitet, als ein Teil der Threadbare-Künstler noch nicht einmal geboren war, aber die beiden Männer verstanden sich. Montignac notierte sich im Geist, später in der Clarion vorbeizuschauen und nachzusehen, welche neuen Werke ausgestellt worden waren. Er und Arthur hatten so oft zusammengesessen und sich über ihre Lieblingskünstler unterhalten, dass Montignac bisweilen dachte, dass er von seinem Nachbarn mehr gelernt hatte als von den betagten Professoren, die in Cambridge unterrichteten.
Montignac hatte Kunstgeschichte studiert, doch ursprünglich einmal von einer Karriere als Maler geträumt, ehe er einsah, dass ihm das Talent dazu fehlte und die Bilder, die er malte, einfallslos waren und dass es vernünftiger wäre, seinen Traum zu begraben. Seine Liebe galt den französischen Malern des neunzehnten Jahrhunderts â den städtischen Eindrücken von Manet, den impressionistischen Landschaften von Pissarro und Gauguins Symbolismus. Vielleicht rührte es daher, dass seine Mutter Französin gewesen war und er die ersten fünf Jahre seines Lebens in der Nähe von Clermont-Ferrand verbracht hatte, ehe sein Onkel ihn holte und zu einem Engländer machte.
Anders als der Mehrheit seiner reichen Freunde, machte es Montignac keinen SpaÃ, tagsüber auf der faulen Haut zu liegen, sich mit anderen zum Lunch zu treffen, zu trinken, in den Clubs zu sitzen und zu tratschen. Deshalb war er froh, diese Stelle zu haben und die Galerie nach seinem Ermessen führen zu können. Es war eine angesehene Beschäftigung, deren einziger Nachteil darin lag, dass Mrs Conliffe ausschlieÃlich auf jungen Künstlern bestand, von denen die meisten höchstens im Ansatz Talent besaÃen. Deshalb legte er es seit Kurzem darauf an, die scheuÃlichsten Bilder, die er finden konnte, zu erwerben: abartige Skulpturen oder verworrene Malereien, ohne erkennbares Motiv oder Einheit im Ausdruck, voll von hingeschmierten Pinselstrichen und Farben, die nicht zusammenpassten. All das erstand er, um zu sehen, wie unwissend die reichen Kunstkäufer Londons waren. Inzwischen hatte er erkannt, dass sie nicht den Hauch einer Ahnung hatten.
Montignac betrat die Threadbare-Galerie und schaltete die Lampen ein. Zu dieser frühen Stunde mochte er die Galerie am liebsten, ehe sein Assistent Jason erschien, ehe die Kunden kamen, um aller Welt zu zeigen, dass sie keinen Geschmack hatten, und ehe die schmuddeligen Künstler verlegen vor seinem Schreibtisch standen, unter dem Arm ein vermeintliches Meisterwerk.
Die Innenarchitektur der Galerie empfand er besonders geglückt, denn sie bestand aus tausendvierhundert Quadratmetern, die sich über zwei Stockwerke verteilten. Auf halber Höhe befand sich ein umlaufender Balkon, von dem aus er sowohl ins Parterre hinunterschauen konnte als auch durch die Fenster über die Cork Street, von der Burlington Arcade bis zur Ecke Clifford Street.
»Früher war das alles einmal ein einziges Gebäude«, hatte Mrs Conliffe erklärt, als sie ihn am ersten Tag herumführte. »Diese Galerie, die Clarion zur Rechten und die Bellway zur Linken. Später wurde es unterteilt und einzeln verkauft. Inzwischen hat jeder seinen Teil anders gestaltet, aber unserer ist bei Weitem der modernste.« Das Letzte wurde mit Stolz
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