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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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hinzugefügt. »Nur das Lager im obersten Stock lässt zu wünschen übrig. Hamilton nebenan hat seines wunderschön umbauen lassen. Er benutzt den Raum zum Restaurieren, aber so etwas haben wir nie gemacht. Unsere Kunstwerke sind ja viel zu neu, als dass sie restauriert werden müssten.«
    Montignac schloss die Eingangstür, legte seinen Mantel ab und lief nach hinten in die kleine Küche, um Teewasser aufzusetzen. Anschließend schaute er die Eingangspost durch und entdeckte unter anderem eine Nachricht von Margaret Richmond, in der sie ihn um einen Anruf bat, da sie ihn nicht habe erreichen können.
    Als Kind hatte er an Margaret gehangen, doch dass sie das Testament seines Onkels vor ihm gekannt hatte, war ihm übel aufgestoßen. Sie war ihm gegenüber nicht loyal gewesen, denn sonst hätte sie ihn rechtzeitig gewarnt. Deshalb nahm er ihre Anrufe nicht an und ignorierte die Nachrichten, die sie ihm hinterließ. Trotzdem verspürte er jetzt leichte Gewissensbisse und legte ihren Brief zuoberst auf den Stapel. Vielleicht würde er sich im Lauf des Tages bei ihr melden.
    Er fragte sich, was sie empfunden hatte, als sie in Leyville auf dem Flur stand, während Sir Denis in der Bibliothek die einleitenden Worte sprach?
    Â»Das Testament Ihres Onkels ist ein wenig kompliziert«, begann er. »Wie es bei außerordentlich wohlhabenden Menschen oftmals der Fall ist. Am besten wird es sein, ich fasse es für Sie zusammen.«
    Â»Ich rechne eigentlich nicht mit großen Überraschungen«, sagte Stella mit einem säuerlichen Unterton.
    Sir Denis ging darüber hinweg. »Wie Sie wissen«, fuhr er fort, »wird das Vermögen der Montignacs traditionsgemäß den männlichen Mitgliedern der Familie vererbt. Normalerweise hätte Ihr Großvater seinen Besitz Ihrem Vater hinterlassen, Owen, doch das erwies sich als – unmöglich.«
    Montignac hob eine Braue. Sein Vater war verstoßen worden, weil er ein französisches Dienstmädchen geheiratet hatte, ein sogenanntes Verbrechen, über das Sir Denis, nach Montignacs Geschmack, ein wenig zu beflissen hinweggegangen war.
    Â»Aber nachdem Ihr Vater im Krieg gefallen war, ging der Besitz ja ohnehin an seinen Bruder.«
    Â»Und jetzt kehrt er wahrscheinlich dahin zurück, wo er ursprünglich hätte sein sollen«, sagte Stella.
    Â»Eher nicht«, antwortete Sir Denis. »Ihr Vater hat sich entschieden, dieses eine Mal mit der Tradition zu brechen. Die Liegenschaften, das Haus hier in Leyville und der Hauptteil des Kapitals sollen unangetastet bleiben, mit Ihnen, Stella, als nominelle Eigentümerin. Was bedeutet, dass Sie zu Ihren Lebzeiten kein Recht haben, irgendetwas von diesem Besitz zu veräußern oder einem anderen zu übertragen. Die Zinsen aus dem Bankvermögen und die Mieteinnahmen aus den Immobilien werden monatlich direkt an Sie überwiesen.«
    Montignac und Stella starrten ihn sprachlos an.
    Stella glaubte, sich verhört zu haben. »Wie war das?«, fragte sie.
    Â»Um es einfach zuzudrücken, Sie haben den Besitz Ihres Vaters geerbt, doch dessen Bestandteile können erst nach Ihrem Tod von Ihren Erben verkauft oder anderen übertragen werden. Dennoch werden Ihre Einnahmen Ihnen für den Rest Ihres Daseins ein äußerst angenehmes Leben gestatten.«
    Stella schaute fassungslos zu ihrem Cousin hinüber.
    Â»Und was ist mit mir?«, wollte Montignac wissen. »Was bekomme ich?«
    Sir Denis seufzte und konnte dem Jungen nicht in die Augen sehen. »Ich fürchte, für Sie hat Mr Montignac keine Vorkehrungen getroffen, Owen.«
    Montignac lehnte sich zurück und durchforstete sein Gedächtnis nach einer Tat, mit der er den Unwillen seines Onkels hervorgerufen haben könnte. Ihm fiel nichts ein. Er war leer ausgegangen, war wie sein Vater enterbt worden. War wieder der arme Verwandte. Alles war umsonst gewesen.
    Als Montignac das Klopfen unten an der Tür hörte, kehrte er in die Gegenwart zurück, trat ans Fenster und schaute auf die Straße hinunter. Sein junger Assistent stand vor der Tür. Er lief nach unten und ließ ihn ein. Nach einem Blick auf seine Uhr – es war fünf Minuten nach acht – sagte er nicht einmal guten Morgen, sondern teilte dem Jungen mit, wenn er das nächste Mal zu spät komme, könne er sogleich wieder kehrtmachen und sich eine neue Arbeit suchen.

2
    Gareth

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