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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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wie Eulen oder Vampire und erwachten im Dunkeln, ganz gleich, ob es um seine finanzielle Lage, Stellas anstehende Eheschließung oder die Möglichkeit, von Delfys Schlägern verstümmelt zu werden, ging. Doch an diesem Morgen drückte ihm nur eine Sorge auf die Seele, und die drehte sich um sein fehlendes Geld.
    Er stand auf, wusch sich und nahm ein leichtes Frühstück zu sich, ehe er seine Wohnung gegen halb acht verließ. Es war ein schöner Sommermorgen. Den Weg zur Galerie legte er wie gewöhnlich zu Fuß zurück und hoffte, die frische Luft würde ihm einen klaren Kopf verschaffen. Trotzdem, seine Möglichkeiten waren begrenzt, und der Gedanke, in vier Wochen an zehntausend Pfund zu kommen, war ein Witz. Abgesehen davon bliebe danach immer noch die Frage, woher er bis Ende des Jahres die nächsten vierzigtausend nehmen sollte, doch die schob er für den Moment als nachrangig zur Seite. Zunächst musste er sich um die erste Rate kümmern.
    Im Geist überschlug er, wie viel er zurzeit auf dem Konto hatte – knapp neunhundert Pfund –, und überlegte, ob es Sinn machte, diese Summe abends in einem anderen Spielkasino als dem Unicorn zu riskieren und zu versuchen, so viel zu gewinnen, dass er Delfy die zehntausend zahlen konnte. Doch ehe die Idee sich festsetzen konnte, schüttelte er sie wieder ab. Auf die Weise hatte er sich die ganze Misere schließlich eingebrockt.
    Doch der größte Schock war das Testament seines Onkels gewesen. Wenn er nur daran dachte, wurde ihm übel. Dass das Vermögen an Stella gegangen war, konnte er ja noch akzeptieren, sie war schließlich das einzige überlebende Kind. Aber ihm, seinem Neffen, rein gar nichts zu hinterlassen, war mehr als grausam.
    Montignac dachte an den Morgen der Testamentseröffnung. Als er und Stella die Bibliothek betraten, war Denis Tandy schon da und erwartete sie. Stella war blass und wirkte elend, als würden die Ereignisse der vergangenen Tage sie allmählich einholen. Er dagegen hatte sich voller Elan gefühlt und dem Kommenden begierig entgegengesehen. Endlich würde das gestohlene Vermögen der Montignacs wieder in die rechtmäßigen Hände gelangen. Ein Unrecht würde wieder gutgemacht.
    Â»Stella, Owen«, begrüßte Sir Denis sie und erhob sich von seinem Stuhl am Lesetisch. »Wie geht es Ihnen?«
    Stella zuckte wortlos mit den Schultern und ließ sich schwer in einen Ohrensessel sinken. Für einen Moment ruhte ihr Blick auf dem Dokument, das Sir Denis auf dem Tisch zurechtgelegt hatte.
    Â»Wir sind beide ziemlich müde«, sagte Montignac. »Ich glaube, in den letzten Tagen hat keiner von uns viel geschlafen. Es wird uns guttun, wenn wir wieder ein normales Leben führen können.«
    Â»Wie kann es denn wieder normal werden?«, warf Stella schroff ein. »Mein Vater kommt nicht zurück. Wie soll denn da Normalität möglich sein?«
    Sir Denis öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Er hatte sämtliche Worte des Beileids aufgebraucht, und mehr fielen ihm nicht ein. Außerdem missbilligte er Stellas Benehmen. Bei einer Beerdigung konnte man seiner Meinung nach trauern und erschüttert sein, das war durchaus verständlich, aber nicht mehr, wenn sie vorüber war. Danach gehorchte man dem Anstand, kehrte zur Normalität zurück und tat so, als wäre nichts gewesen. Gefühle zu zeigen hatte noch nie jemandem etwas genützt. Deshalb ging er auf Stella nicht weiter ein und setzte sich wieder. Montignac ließ sich ihm gegenüber nieder.
    Als an der Tür geklopft wurde, schauten sie alle dorthin und fragten sich, wer sie jetzt zu stören wagte, doch es war nur Margaret Richmond. Sie betrat die Bibliothek und brachte ein Tablett mit einer Kanne Kaffee und drei Tassen.
    Â»Ich bitte um Verzeihung«, flüsterte sie und stellte das Tablett auf einem Beistelltisch ab. »Aber vielleicht wünscht jemand eine Tasse Kaffee.«
    Â»Margaret, du bist ein Engel«, sagte Stella dankbar, stand auf, schenkte den Kaffee aus und reichte jedem der beiden Männer eine Tasse.
    Margaret stand da und rang die Hände, wie immer, wenn sie nervös war. Ihr Blick wanderte zwischen ihren früheren Schützlingen hin und her.
    Montignac wandte sich zu ihr um. »Gibt es irgendetwas?«
    Â»Nein, es ist alles in Ordnung«, sagte sie. »Wenn jemand noch etwas braucht, muss er mich nur

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