Das Vermächtnis der Montignacs
oder lässt, ist entscheidend.«
»Ich würde alles tun, was mir die Arbeit in der Kanzlei Rice erspart«, erwiderte Gareth leichtherzig.
»Ob man beispielsweise lügen würde.«
»Alle Menschen lügen.«
»Oder stehlen würde.«
»Hängt wohl davon ab, wen man bestiehlt.«
»Oder sogar töten würde.«
Gareth fuhr herum und starrte Montignac an, der sich sofort ein Lächeln abrang, Gareth den Arm tätschelte und eilig sagte: »Jetzt schauen Sie nicht so entsetzt. Ich habe doch nur hypothetisch gesprochen.«
Das Taxi hielt an. Montignac wartete. Der junge Mann hatte sich noch nicht zu dem letzten Beispiel geäuÃert.
»Hören Sie zu, Gareth«, sagte er schlieÃlich und zog seine Visitenkarte aus der Jackentasche hervor, »ich glaube, ich weià ungefähr, in welcher Lage Sie stecken, und kann Ihnen vielleicht helfen. Hier ist meine Visitenkarte. Warum rufen Sie mich in den nächsten Tagen nicht an? Und dann treffen wir uns und unterhalten uns weiter.«
Gareth nahm die Karte, betrachtete den Mann, der für ihn so gut wie ein Fremder war, und konnte sein Glück kaum fassen. »HeiÃt das, dass Sie vielleicht eine Arbeit für mich haben?«
»Nicht ganz.« Montignac schaute aus dem Fenster zu seiner Wohnung hinauf und stieà die Wagentür auf. Er wollte nicht mehr reden. »Rufen Sie mich einfach an«, verabschiedete er sich und trat hinaus auf die StraÃe. »Es könnte zu Ihrem Vorteil sein.«
Gareth steckte die Karte ein. Montignac schloss die Wagentür und bedeutete dem Fahrer mit einem Wink, weiterzufahren. Er dachte an junge Männer mit Beziehungen, junge Männer wie Gareth Bentley, und sagte sich, dass es sich immer lohne, sie näher kennenzulernen.
Der fragliche junge Mann fuhr unterdessen durch Woburn zum Tavistock Square. Mit einem Mal stutzte er und stellte fest, dass Montignac genau das getan hatte, was Jasper beabsichtigt hatte, nämlich ihn für die gesamte Taxifahrt zahlen zu lassen. Nur störte es ihn in diesem Fall nicht so sehr.
Während der Weiterfahrt griff er mehrmals in die Jackentasche, um sicherzugehen, dass die Visitenkarte noch da war, nur für den Fall, dass sie sich zwischenzeitlich auf geheimnisvolle Weise in Luft aufgelöst hatte. Zu guter Letzt beschloss er, sie zur Sicherheit in der Hand zu halten, denn um nichts in der Welt wollte er sie im Taxi verlieren.
KAPITEL 3
1
Die Galerie Threadbare hatte ihre Tore erstmalig im Jahr 1930 geöffnet und sich von Anfang an auf die Ausstellung und den Verkauf zeitgenössischer Kunst spezialisiert. Mrs Rachel Conliffe, die Galeristin, war eine vermögende Dame mittleren Alters, die der Ansicht war, dass die jungen Maler und Bildhauer Londons von den Galerien der Stadt auf schändliche Weise vernachlässigt wurden und dass der GroÃteil der Galerien in grauer Vorzeit stecken geblieben war. Deshalb machte sie es zur Regel, dass in der Threadbare nichts ausgestellt wurde, das aus der Zeit vor Königin Victoria stammte. Objekte aus der Zeit König Edwards waren in Ordnung, diejenigen aus der Zeit von König Georg noch besser. Anfangs lachten die Kritiker über die Threadbare, die wie ein Anachronismus aus den anderen traditionellen Galerien auf der Cork Street hervorstach. Doch nach und nach erwarb sie sich den Ruf, exzentrisch zu sein, und die Kunstsammler wurden neugierig und kamen vorbei. Nach wenigen Jahren war ein Objekt aus der Threadbare zum Statussymbol geworden, das der Welt zuraunte, der Besitzer sei fortschrittlich gesinnt, statt den langweiligen Traditionen von gestern verhaftet zu sein.
Mrs Conliffe nahm weiterhin Anteil an ihrem Geschäft und tauchte in Abständen von einigen Wochen in der Galerie auf, um einen Blick auf die neuen Ausstellungsstücke zu werfen, doch im Ãbrigen gab sie sich mit den Einnahmen zufrieden und hielt sich aus dem Tagesgeschäft heraus. Für dieses Tagesgeschäft hatte sie Owen Montignac eingestellt, einen begabten und umgänglichen jungen Cambridge-Absolventen, dessen Vorgänger inzwischen in der Tate Gallery tätig war. Montignac war ihr von dessen Onkel empfohlen worden, der für lange Jahre ein Geschäftsfreund ihres Ehemanns gewesen war.
Am Morgen nach dem Treffen mit Nicholas Delfy wachte Montignac früher als sonst auf, gegen halb sieben, und konnte nicht mehr einschlafen. Seine Sorgen, so hatte er festgestellt, waren
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