Das Vermächtnis der Schwerter
angehört.«
»Aber ich …«, stammelte Daia, »ich habe doch nur seine ungeheure Wirkung auf das Heer gemeint.«
»Arden hat Charisma, das ist unbestritten«, räumte Tarana ein. »Selbst ich kann mich dem nicht entziehen. Das macht ihn aber noch nicht zu einem guten Anführer und ganz sicher rechtfertigt das nicht deine Bewunderung. Arden wirkt auf mich wie ein billiges Schmuckstück. Er strahlt auf den ersten Blick, aber wenn man am Anstrich kratzt, kommt der mindere Kern zum Vorschein.«
»Ist ja gut.« Daia wirkte zerknirscht. »Warum bist du eigentlich so aufgebracht? Habe ich dir irgendetwas getan?«
Tarana hielt einen Moment inne. »Es tut mir leid, Daia. Ich will dir keine Vorschriften machen. Ich finde nur, dass du die Zeit vor dem Angriff nutzen solltest, um Meatril zu zeigen, wie wichtig er dir ist.«
Daia traten Tränen in die Augen. »Du meinst, falls ich nach der Schlacht keine Gelegenheit mehr dazu bekomme?«
Tarana nahm sie mitleidig in den Arm. »Meatril wird nichts geschehen. Die Göttin schützt die Liebenden, hast du das vergessen?«
»Richtig.« Daia wischte sich über die Augen. Behutsam löste sie sich aus Taranas Umarmung. »Ich werde zu Meatril gehen. Sehe ich sehr verweint aus?«
»Nein«, antwortete Tarana gerührt, »du bist so hübsch wie immer.«
Daia lächelte zaghaft, dann lief sie zu Meatril hinüber, der mit Targ und Deran bereits die Garde um sich versammelte, die mit ihnen den Strand halten sollte.
Tarana seufzte tief. Sie war zu hart mit Daia umgesprungen, das tat ihr jetzt leid. Aber die Unfähigkeit der wankelmütigen Adeligen, Meatrils Zuneigung mit derselben Hingabe zu begegnen, erfüllte die Istanoit mit Zorn. Sosehr sie auch Daias Freundschaft in den vergangenen Tagen und besonders während ihres gemeinsamen Ritts durch die Istaebene zu schätzen gelernt hatte, so konnte sie dennoch nicht verstehen, wie nachlässig ihre neue Gefährtin mit Meatrils Liebe umsprang. Wahrscheinlich verhielt es sich so wie bei vielen Dingen, deren Wert man erst ermessen konnte, wenn man ihren Verlust beklagen musste. Doch Tarana wusste, was es bedeutete, einen wahrhaft geliebten Menschen zu verlieren. An dieser Stelle klaffte eine Lücke in ihrem Leben, die sich nur unzureichend mit ein paar schalen Erinnerungen anfüllen ließ. Aber obwohl Tarana deswegen manchmal ein schlechtes Gewissen plagte, weilten ihre Gedanken weit seltener bei ihrer toten Stammesschwester Derbil als bei dem Mann, dem sie seiner Vorbehalte und Verschlossenheit zum Trotz ihre ganze Liebe hatte schenken wollen. Sie musste die Erinnerung an Arton einfach lebendig halten, so viel schuldete sie auch ihrem ungeborenen Kind, das seinen Vater niemals kennen lernen würde. Allerdings ließ es sich in Anbetracht der kommenden Schlacht auch nicht ausschließen, dass sie ihrem Geliebten bald selbst in Xelos’ Schattenreich nachfolgen würde. Doch Tarana vermochte dieser Gedanke nicht mit Schrecken zu erfüllen. Was geschehen würde, würde eben geschehen.
Vier Stunden später waren alle Vorbereitungen für die Schlacht getroffen. Meatril, Targ und Deran hatten gerade noch einmal die erschreckend überschaubaren Reihen der Seewaither und Riffstädter Garde inspiziert. Die Truppen waren vor den aufgepflanzten Standlanzen in Stellung gegangen, um diese Abwehrmaßnahme möglichst lange vor den herannahenden Gegnern verborgen zu halten. Mittlerweile war das Meer etwa fünfzig Schritt weit zurückgewichen, sodass der Strand genügend Platz bot, um ein Vorrücken von Techels Heer zu erlauben. Noch ließ sich aber kein feindlicher Soldat ausmachen.
Die drei Ecorimkämpfer fanden sich nach dem prüfenden Abschreiten ihrer Verteidigungslinie wieder an der Spitze der Truppen ein und begannen nun, schweigend ihre Ausrüstung zu kontrollieren. Unter den knapp vierhundert Soldaten herrschte eine solch gespenstische Stille, dass das leise Rauschen der brechenden Wellen das einzige Geräusch darstellte.
Nachdem Meatril, Targ und Deran jede Schnalle an ihrer Rüstung, die Griffe ihres Schildes und den Schliff der Schwerter zum wiederholten Male geprüft hatten, blieb nichts mehr zu tun, als zu warten. Anspannung senkte sich wie eine bleierne Decke herab. Die erzwungene Untätigkeit ließ den Gedanken genügend Freiraum, um sich die bevorstehenden Kämpfe in allen schrecklichen Einzelheiten auszumalen. So hatte das erste Gefecht dieser Schlacht bereits begonnen: das Ringen mit den eigenen Ängsten.
»Und, Meatril, hast du schon mal
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