Das Vermächtnis der Schwerter
müssen, denn das Schlachtfeld war übersät von toten Pferden und Reitern. Er atmete tief durch. »Wir müssen uns neu formieren«, sagte er matt, »dort rücken schon die Fußtruppen an. Es ist noch nicht überstanden.« Er sah an sich herunter. »Und bei den Göttern, ich brauche einen neuen Stiefel.«
Taranas Finger waren rot und pochten schmerzhaft. Sie hatte so viele Pfeile auf die citheonischen Reiter verschossen, dass sie irgendwann aufgehört hatte, zu zählen. Mit Daia und Eringar stand sie wie alle anderen Bogenschützen auf dem Wehrgang hinter den südlichen Palisaden, von wo sie die anrückenden feindlichen Truppen ohne Unterlass mit ihren Geschossen eindecken konnten. Trotzdem war der Beschuss bei der schwer gepanzerten Kavallerie weitgehend wirkungslos geblieben, da man schon sehr genau treffen musste, um die Rüstung eines Berittenen oder seines Streitrosses zu durchdringen. Da niemand, der in der Festung Königswacht zurückgeblieben war, als wirklich erfahrener Schütze gelten durfte, blieb der durch die Pfeile beim Gegner verursachte Schaden im Wesentlichen eine Sache des Zufalls. Umso wichtiger schien es daher, möglichst viele Pfeile in einem kurzen Zeitraum abzuschießen, ohne sich lange mit Zielen aufzuhalten.
Sobald aber die Truppen aufeinander geprallt waren und sich die Reiterschar unentwirrbar zwischen den Verteidigern zu verkeilen begann, waren die Schützen auf dem Wehrgang zur Tatenlosigkeit verurteilt. Nun konnte kein Pfeil mehr auf den Kampfplatz hinabgesandt werden, ohne Gefahr zu laufen, einen der eigenen Leute zu treffen. Hilflos mit anschauen zu müssen, wie diese citheonischen Reiter unter der Fendländer Garde wüteten und versuchten, sie auf der linken Flanke zu umgehen, forderte Taranas ganze Selbstbeherrschung. Es hätte nicht viel gefehlt und sie wäre über die Palisade hinab auf den Kampfplatz gesprungen.
Doch Tarana sah auch, dass Meatril das Manöver der Kavallerie vorausgeahnt und rechtzeitig die geeigneten Gegenmaßnahmen ergriffen hatte. Mit großer Erleichterung registrierte sie, dass der Vorstoß der Kavallerie bald zum Erliegen kam und sich die Reiter aufgrund ihrer hohen Verluste zurückziehen mussten. Fieberhaft versuchte Tarana, die drei Ecorimkämpfer zwischen den in ziemliche Unordnung geratenen Verteidigern auszumachen.
»Da ist Meatril«, rief Daia neben ihr mit zitternder Stimme und deutete auf den Kampfplatz hinab.
»Und bei ihm sind auch Deran und Targ!«, ergänzte Eringar freudig. »Sie sind alle wohlauf.«
Bei Tarana wollte sich jedoch kein Gefühl der Erleichterung einstellen. Ihr Blick haftete voller Grauen auf den nun vorrückenden Fußtruppen Citheons. Das erste große Kontingent bestand aus einer Einheit Speerträger, die sich hinter ihren erhobenen Metallschilden fast vollständig verbargen, um sich vor dem Pfeilhagel aus der Festung zu schützen. Dahinter marschierte eine Einheit Bogenschützen, die wohl über die vorrückenden Speerträger hinweg die Fendländer Stellungen am Strand lichten sollten und danach sicherlich die Festung unter Beschuss nehmen würden. Hinter diesen Fernkämpfern standen weitere Infanterieeinheiten in Reserve, die die angreifenden Truppen jederzeit verstärken konnten, falls nötig. Die Übermacht war erdrückend. Obwohl sich Tarana über diese Tatsache bereits vorher im Klaren gewesen war, erwies es sich doch als weit erschütternder, den Feind jetzt in seiner ganzen Schlagkraft vor Augen zu haben. Doch es sollte noch schlimmer kommen.
Als Tarana sich gerade hinkniete, um noch ein paar zusätzliche Pfeile griffbereit ins Holz des Wehrgangs zu spießen, fiel ihr Blick auf die gegenüberliegende nördliche Seite der Palisadenmauer. Der breite Einschnitt im Furchenstein, wo die Burg Königswacht errichtet worden war, verjüngte sich mit zunehmender Entfernung vom Strand immer mehr und endete schließlich in einer schmalen, unwegsamen Klamm, die steil nach oben verlief. Eigentlich war es völlig unmöglich, eine größere Zahl von Soldaten unbemerkt diesen tückischen Abhang hinabzuführen, denn rutschendes Geröll verriet jeden Angreifer sofort, und dank der Enge in der Klamm ließ sich dann einer nach dem anderen von der hinteren Mauer aus mit Pfeilschüssen unschädlich machen. Niemand mit halbwegs klarem Verstand würde von dort aus eine Attacke wagen – solange die nördliche Mauer bewacht war. Doch ebendort hatten sie nicht eine einzige Wache zurückgelassen, da von dieser dem Berg zugewandten Seite kein
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