Das Vermächtnis der Schwerter
sprach völlige Verwirrung. Meatril war der Erste, dessen Fassung so weit zurückgekehrt war, dass er einen vorsichtigen Einwand zustande brachte: »Du willst dich zu diesem Fluss zurückziehen und Techels Heer den Weg nach Fendland öffnen?« Er stockte kurz. »Ich hoffe sehr, du gibst uns noch eine Erklärung für dieses merkwürdige Vorhaben, denn offen gesagt, kann ich das nicht verstehen.«
»Oder, um es deutlicher auszudrücken«, fügte Tarana kopfschüttelnd hinzu, »das ist eine ziemlich närrische Idee.«
Ardens Augen glitzerten vergnügt. »Von Rückzug kann keine Rede sein!«, antwortete er unbeschwert. »Wir werden den Fluss überqueren, den Furchenstein im Nordwesten umgehen und Techel dann in den Rücken fallen.« Er blickte gespannt von einem zum anderen, als erwarte er nach dieser Eröffnung spontane Jubelrufe. Offenbar hielt er diesen Plan tatsächlich für einen strategischen Geniestreich.
Meatril verschaffte sich zunächst durch einige verstohlene Seitenblicke auf seine Gefährten Gewissheit, dass diese den Plänen ihres zukünftigen Königs ebenso ratlos gegenüberstanden wie er selbst, dann räusperte er sich mehrmals, um endlich zu einer Antwort auszuholen: »Ich weiß nicht recht, wie ich es sagen soll, aber ich glaube, du lässt da einige Schwierigkeiten außer Acht, Arden. Zunächst einmal scheint es mir unmöglich, den Siegelbach einfach so zu überqueren, weil er vom Schmelzwasser auf gut das Doppelte seiner normalen Breite angeschwollen ist. Aber selbst wenn die Brücke noch stehen würde, dann kannst du die Umgehung des Furchensteins niemals in weniger als fünf Stunden bewältigen, denn unser Heer besteht zu einem großen Teil aus Fußtruppen. Techels Armee befindet sich schon auf dem Weg hierher und in vier bis fünf Stunden ist Ebbe, dann kann er seinen Angriff beginnen. Die fünfhundert Mann, welche du in der Festung Königswacht zurücklassen willst, werden Jorig Techel kaum lange genug aufhalten können, um dir zusätzliche Zeit zu verschaffen.«
»Es wird ihnen gelingen«, entgegnete Arden voller Zuversicht, »denn die Ecorimkämpfer werden sie anführen.«
Meatril blieb der Mund offen stehen und auch den anderen fehlten gleichermaßen die Worte.
Doch Arden ließ sich nicht beirren. »Ich werde sofort aufbrechen und den Furchenstein im Eilmarsch umgehen. Dafür will ich nicht mehr als sechs Stunden brauchen. Ich lasse euch die Kompanien der Seewaither und Riffstädter Stadtgarde hier und zusätzlich noch einen Zug Bogenschützen.« Wie selbstverständlich umschloss seine Hand das Schwert Ecorims, welches wie immer an seiner Seite hing. »Ihr alle genießt mein absolutes Vertrauen, ich setze auf euer Kampfgeschick und euren Mut. Ihr werdet gegen Techels Truppen so lange standhalten, bis ich im Rücken seines Heeres erscheine. Das sollte für genug Verwirrung sorgen, dass es uns gelingen wird, die Feinde in die Flucht zu schlagen. Die Götter sind auf unserer Seite. Wir können nicht verlieren.« In seinen Worten schwang eine geradezu hypnotische Überzeugungskraft mit. Obwohl jeder einzelne der Ecorimkämpfer im tiefsten Inneren wusste, dass dies ein aberwitziges Unterfangen darstellte und sie Arden gerade darum ersucht hatte, in den sicheren Tod zu gehen, schien eine Widerrede undenkbar. Ardens Enthusiasmus überdeckte all ihre Zweifel, ebnete ihren Geist wie ein Schmied rohes Metall. Keiner brachte ein Wort des Widerspruchs über die Lippen.
Arden blickte prüfend in die Runde. »Ich wusste, dass ich auf euch zählen kann«, meinte er schließlich glücklich. »Jetzt werde ich dem Heer meinen Entschluss verkünden. Wir dürfen keine Zeit verlieren. In meiner Abwesenheit wird Meatril die Führung übernehmen.« Er drückte freundschaftlich Meatrils Schulter, nickte den anderen noch einmal zu und verließ dann das Zelt.
Wie gelähmt blieben die Ecorimkämpfer zurück. Keiner konnte wirklich begreifen, was hier gerade geschehen war. Sie hatten tatenlos zugehört, wie Arden ihren Untergang beschloss.
Ein leises Schnaufen riss sie aus ihrer Erstarrung. Es kam aus der Ecke, in der Malun die ganze Zeit über gesessen hatte. Der Citpriester stemmte sich gerade behäbig aus seinem Stuhl hoch, wobei er die Anwesenden jedoch nicht aus den Augen ließ. »Arden Erenor wird einmal ein guter König sein«, bemerkte Malun etwas außer Atem. »Er weiß, einen wohlgemeinten Rat anzunehmen, und er scheut sich nicht, seinen Getreuen im Interesse des größeren Ganzen das Äußerste
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