Das Vermächtnis der Schwerter
altgediente Soldat für möglich gehalten hätte, zauberte Kawrin einen seiner Dolche aus dem Gürtel und schleuderte ihn auf die Tür des nächstgelegenen Hauses. Die Klinge blieb zitternd in dem spröden Holz stecken. Der schlaksige junge Blondschopf ging gemächlich zu der Haustür und zog seine Waffe wieder heraus.
»Sie sind ein wenig klobig und nicht gut ausbalanciert«, meinte er beiläufig, während er seinen Dolch in der Hand wog. »Aber auf ein paar Schritt Entfernung wird es schon gehen. Wenn da einer im ersten Stock mehr als seine Nase im Fenster zeigt, dann erwische ich ihn.« Kawrin klang absolut überzeugt.
»Nicht schlecht, Kawrin«, staunte Barat, »das kann auf jeden Fall nützlich sein. Aber dennoch werden wir immer noch schutzlos ihren Pfeilen ausgesetzt sein, ob nun zwei Schützen mehr oder weniger, wird kaum eine Rolle spielen. Und wenn wir nicht hineinkommen, ist das Ganze sowieso sinnlos.«
Während Barat sprach, war Arton zu der Holztür hinübergegangen, die Kawrin als Zielscheibe gedient hatte. Er untersuchte aufmerksam die kleine Kerbe, die das Wurfgeschoss hinterlassen hatte, dann nickte er zufrieden und drehte sich wieder zu den anderen um.
»Der Dolch hat das Holz kaum beschädigt, das wird auch den Pfeilen standhalten«, stellte Arton fest. »Nun brauchen wir nur noch etwas, um Ferrags Tür aufzubrechen.«
Kawrin und Barat sahen sich zunächst verständnislos an, blickten dann auf den wortkargen Schwertkämpfer und schließlich auf die hölzerne Pforte. Da fing Barat an, zu grinsen.
»Jetzt verstehe ich«, meinte er und schnippte begeistert mit den Fingern. »Dann werden wir wohl nicht umhinkommen, die Stadtbewohner noch einmal um ihre Mithilfe zu ersuchen.«
Kawrin sah immer noch so aus, als hätten die beiden in einer fremden Sprache mit ihm gesprochen.
Barat erbarmte sich schließlich und legte ihm väterlich die Hand auf die Schulter. »Der eine oder andere Bewohner in der unteren Häuserreihe«, erklärte er dem ratlosen Kawrin gut gelaunt und wies dabei auf die Dächer der linken Gebäudefront, »wird uns wohl seine Eingangstür als Schutzschild zur Verfügung stellen müssen. Und in einem der Häuser werden wir hoffentlich auch noch etwas finden, das wir als Rammbock benutzen können.« Barat pfiff übermütig durch die Zähne. »Da wird die Zecke Ferrag aber Augen machen!« Dann kehrte er mit Arton zu dem Arbeitertrupp zurück. Kawrin folgte mit skeptischer Miene.
Wenig später schob sich ein merkwürdiges Gebilde, bestehend aus vier ausgehängten Türflügeln, durch die schmale Gasse auf Ferrags Behausung zu. Jeweils zwei Minenarbeiter hatten eine Türe am Griff und an den Scharnieren gepackt. Zwei der Türblätter wurden so getragen, dass sie vorne schräg nach unten bis beinahe auf den Boden reichten, die beiden anderen Türen hielten die Arbeiter hinten einfach über ihre Köpfe. Dazwischen blieb noch genug Platz für Barat, Arton und Kawrin. Da der Trupp seitlich ungeschützt war, hielten sich die elf Männer nahe an der Felswand, um keine Schüsse auf ihre ungedeckte rechte Flanke abzubekommen. Ihre linke Seite war von Ferrags Unterschlupf aus nicht zu treffen.
Auf diese Weise erreichten sie schließlich den Eingang des Hauses, der tatsächlich mit einer durch Eisen verstärkten Tür verschlossen war. Sie verteilten sich entlang der Hauswand, die außer der Eingangspforte keine weiteren Öffnungen aufwies, und schützten sich mit den improvisierten Schilden gegen eventuellen Beschuss von oben. Kaum hatten sie angehalten, ertönte von einem der oberen Fenster aus eine laute Stimme:
»Was wollt ihr hier vor meinem Haus und warum lauft ihr herum wie Schildkröten?«
»Das ist Ferrag«, flüsterte Barat.
»Wartet hier«, sagte Arton und machte zwei Schritte von der Hauswand weg, wodurch er sich aus der Deckung der Schilde begab.
»Was macht er denn?«, zischte Kawrin.
Barat antwortete nur mit einem ratlosen Achselzucken und beobachtete gespannt, was nun folgen würde.
Arton wandte sich dem Haus zu und sah nach oben. »Haltet ihr einen Jungen namens Rai gefangen?«, fragte er unumwunden.
»Ich wusste nicht, dass die kleine Ratte Rai heißt«, kam Ferrags höhnische Antwort von oben, »aber ja, der ist hier.«
»Gebt ihn heraus!«, verlangte Arton mit unbewegter Stimme.
Gelächter ertönte aus dem oberen Stockwerk. »Einen feuchten Dreck werden wir tun«, rief der Einarmige herab. »Aber stattdessen habe ich eine Forderung an euch: Räumt die Festung und
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