Das Vermächtnis der Schwerter
Weile unschlüssig, bis Arton ihm die Entscheidung abnahm, indem er das Thema wechselte.
»Rai hat erzählt, dass er das schwarze Schwert, das ich bei der Eroberung der Festung an mich genommen habe, schon einmal irgendwo gesehen hat. Weißt du etwas darüber?«
Barat musste lachen. »Na, in gewisser Weise ist es sein Schwert.«
Arton erwiderte diese Bemerkung nur mit einem fragenden Blick.
»Na ja«, schob der Veteran schnell eine Erklärung nach, »er stahl es unter meiner Anleitung aus dem Palast von Tilet. Irgendwie setzte uns jedoch ein missgünstiges Schicksal auf dieser verwünschten Insel aus, wo das Schwert schließlich Ferrag in die Hände fiel. Demselben Ferrag, der uns auch jetzt wieder Schwierigkeiten bereitet. Der verkaufte es an irgendeinen Offizier der Garde und so gelangte es anscheinend in die Festung, wo du es wohl gefunden hast.«
Es war das erste Mal, dass Barat echtes Erstaunen auf dem vernarbten Gesicht des Schwertmeisters wahrnahm. Diesen seltenen Moment der Offenheit wollte er nutzen, um seinerseits eine Frage zu stellen:
»Ich hoffe, es ist nicht zu persönlich, aber wie ist das eigentlich mit deinem Auge passiert, Arton? Die Narbe sieht noch recht frisch aus.«
Der Krieger schwieg einen Moment lang und starrte geradeaus. »Ich war zu langsam«, gab er schließlich zur Antwort.
Barat beschloss, einen Vorschlag zu machen: »In Tilet gibt es ein paar Glasmaler, die können wahre Meisterwerke aus einer einfachen Glaskugel fertigen. Wenn man die in die Augenhöhle einsetzt, dann sieht das aus, als hätte man zwei gesunde Augen. Einige meiner ehemaligen Kameraden aus der Armee haben sich so was machen lassen. Es hat zwar ihre gesamten Ersparnisse verschlungen, aber sie haben alle gesagt, dass es jedes Kupferstück wert war. Vielleicht hilft dir das ja.«
»Du glaubst, ich brauche Hilfe?«, erkundigte sich Arton mit einem lauernden Unterton.
Aber Barat ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Nun, offen gestanden, ich hatte den Eindruck, dass du nicht besonders glücklich mit deinem jetzigen Aussehen bist, und dachte, das wäre vielleicht etwas für dich. Lass es sein, wenn es dir nicht zusagt.«
»Mal sehen«, erwiderte Arton ohne eine weitere erkennbare Regung. Nach einer erneuten kurzen Pause fragte er abrupt: »Du warst also bei der Armee?«
»Ja, Infanterie, zweites Regiment, fünfte Kompanie«, antwortete Barat erfreut über Artons Interesse. »König Karwanders Purpurköpfe, falls dir das etwas sagt. So nannte man uns, wegen unserer purpurroten Helmzier. Wir waren dem König persönlich unterstellt und mussten immer ran, wenn es besonders haarig wurde. Aber du bist wahrscheinlich zu jung, um die Purpurköpfe noch zu kennen, denn nach Arch Themur wurde unser Truppenverband vom neuen Machthaber Jorig Techel aufgelöst. Wir waren ja auch nicht mehr viele nach der Schlacht. Trotzdem hätte er uns anderen Kontingenten zuteilen können, aber weil wir dem alten Königshaus treu ergeben waren, wurden wir mit einer mageren Pension einfach nach Hause geschickt. Doch ich will dich mit diesen alten Geschichten nicht langweilen.«
»Diese Arbeiter in unserem Gefolge, die du mit Schwert und Rüstung als Soldaten verkleidet hast, profitieren sehr von deiner Erfahrung«, stellte Arton halb spöttisch, halb anerkennend fest. »Wie sie heute auf dem Weg zur Festung den Rückzug gedeckt haben, das sah schon fast nach einer echten Infanterieeinheit aus.«
Es brauchte eine gewisse Zeit, bis sich Barat dazu entschließen konnte, diese Bemerkung als Lob und nicht als Kränkung einzuordnen. Eigentlich sollte Barat als altgedientem Soldaten diese Einschätzung eines wahrscheinlich nicht einmal zwanzigjährigen Grünschnabels vollkommen gleichgültig sein, ihn sogar eher belustigen. Aber Artons meisterliche Beherrschung der Kampfkunst und ebenso seine Fähigkeit, Situationen in kürzester Zeit richtig einzuschätzen, verliehen seinem Urteil auch in solchen Fragen ohne Zweifel Gewicht. Außerdem kam so selten ein Lob von seinen Lippen, dass dies allein bereits wie eine Ehre wirkte.
Bevor sich Barat allerdings bedanken konnte, hatten sie den gepflasterten Hafenkai erreicht, einen rechtwinkligen Platz, der zur Stadtseite hin durch eine lange Häuserzeile und die große Markthalle begrenzt wurde. Zwischen diesen Gebäudekomplexen führte die gewundene Hauptstraße von Andobras den steilen Hang hinauf und weiter in Richtung Inselinneres. Barat dachte mit Schaudern an den Tag zurück, als sie diesen Weg in
Weitere Kostenlose Bücher