Das Vermächtnis der Schwerter
Fesseln erklommen hatten, um schließlich in den finsteren Rachen des Erzbergwerks gestoßen zu werden.
Der Hafen und auch die Markthalle waren nun menschenleer, die Türen der eng zusammengedrängten Basalthäuser geschlossen und die Fensterläden zugeklappt, so als ahnten die Stadtbewohner bereits, dass es Ärger geben würde. Die Minenarbeiter versammelten sich hinter Barat und Arton, wobei alle misstrauisch die Häuserfassaden im Auge behielten.
»Was nun?«, fragte Kawrin und ging nach vorne zur Spitze des Trupps. Bisher hatte er es vermieden, Arton näher als unbedingt nötig zu kommen.
»Ich denke«, sagte Barat bedächtig, mit einem flüchtigen Blick auf Arton, »dass wir erst einmal höflich klopfen sollten. Vielleicht macht ja jemand auf.«
»Vielleicht schießt dir aber auch jemand einen Pfeil zwischen die Augen«, bemerkte Kawrin unwillig.
»Na, na«, erwiderte Barat belustigt, »wir wollen die Dinge mal nicht so schwarzsehen. Die meisten der Städter haben sich doch gar nicht an den Kämpfen bei der Versammlung beteiligt, also warum sollten sie gleich dermaßen harsche Maßnahmen ergreifen, wenn man nur mal dezent an ihre Tür pocht?«
Damit ging Barat ohne Zögern zum nächstbesten Haus und klopfte dreimal. Es geschah nichts. Niemand öffnete die Tür, kein Fensterladen wurde bewegt und auch kein Pfeil schwirrte auf ihn hernieder. Er wiederholte dies noch bei vier weiteren Häusern mit dem gleichen Ergebnis. Ratlos blickte er zu den anderen zurück und zuckte die Schultern.
Diese Geste nahm Arton zum Anlass, nun seinerseits zur Tat zu schreiten. Er ging bis zu der Haustür, vor der Barat gerade stand, brach sie mit drei kräftigen Fußtritten auf und verschwand im Inneren. Entsetzte Schreie drangen nach draußen, lautes Gepolter folgte, dann hörte man den Krieger vollkommen ruhig fragen: »Wisst ihr, wo Ferrag wohnt?«
Verängstigte Stimmen riefen durcheinander, bis sich schließlich nur noch ein Sprecher vernehmen ließ, der etwas von »letztes Haus in der obersten, linken Querstraße« stammelte.
»Ist Ferrag jetzt dort?«, erkundigte sich Arton knapp.
»Jaja, er ist nach der Versammlung mit einem großen Trupp Bewaffneter dorthin gelaufen.«
»Konntest du sehen, ob sie einen Gefangenen dabeihatten?«, hörte man Arton weiterfragen.
»Einer war gefesselt, soweit ich das sehen konnte. Zwei von Ferrags Leuten haben ihn hinter sich hergeschleift.«
Wenig später erschien Arton wieder in der Tür. Er nickte Barat zu und meinte: »Hatte ich es dir nicht gesagt? Einer Berühmtheit wie mir werden sie bereitwillig Auskunft geben.« Dabei kräuselten sich seine Lippen zu einem leichten Lächeln.
Dann setzte Arton sich wieder an die Spitze des Arbeitertrupps, um der Hauptstraße den Hang hinaufzufolgen. Barat überzeugte sich noch rasch, ob im Haus, in das Arton so rüde eingedrungen war, auch niemand zu Schaden gekommen war, und fand die vier Bewohner zwar völlig verängstigt, aber wohlauf. Kopfschüttelnd beeilte er sich dann, den abrückenden Trupp Minenarbeiter einzuholen, konnte dabei aber ein heimliches Grinsen nicht unterdrücken. Arton wusste wirklich sehr genau, was er auf welche Weise erreichen konnte. Der Schwertkämpfer war ohne Frage ziemlich skrupellos in seinem Vorgehen, aber sein Handeln zeichnete sich auch durch eine bestechende Geradlinigkeit aus. Barat schätzte das.
Während sie der Straße weiter folgten, nahm Barat die Gelegenheit wahr, sich beim Gehen ein wenig umzuschauen. Sie passierten zahlreiche Querstraßen, die in jeder Kurve des serpentinenreichen Hauptwegs nach rechts und links abzweigten und auf den abgeflachten Felsenterrassen des Abhangs verliefen. Entlang den Querstraßen war in jede der treppenartigen Stufen des Berges eine Häuserreihe so hineingebaut worden, dass die Rückseite des Erdgeschosses von der Felswand gebildet wurde. Das obere Stockwerk befand sich dagegen bereits auf einer Höhe mit der nächsten Bergterrasse und konnte von der dort vorbeiführenden höher gelegenen Querstraße betreten werden. Die Steinhäuser fügten sich ohne Abstand aneinander und bildeten so eine breite Front, jedes einzelne für sich wirkte aber sehr hoch und schmal. Die zum Meer hin abfallenden Dächer waren ebenfalls mit grau verwitterten Basaltplatten gedeckt, welche zum Teil schon mit dicken Moospolstern überwachsen waren – die einzigen grünen Flecken in dieser Stadt aus dunklem Basaltgestein. Die große Zahl an Wohnhäusern, die die Menschen in dieser Kargheit
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