Das Vermächtnis der Schwerter
– er musste sich jetzt auf Ferrags Gedanken konzentrieren. Offenbar verstärkten starke Gefühle der Wut oder vielleicht auch Verzweiflung die Kraft seiner Gabe, machten sie aber zugleich auch unberechenbar und zerstörerisch, was er nun zum Erlangen der gesuchten Informationen keinesfalls gebrauchen konnte.
Obwohl Ferrag somit nicht der Erste war, der sich Artons geistiger Einflussnahme entzog, erschien es dem Krieger merkwürdig, dass es in tiefer Ohnmacht möglich sein sollte, solchen Widerstand zu leisten. Aber vielleicht spielte es keine Rolle, ob Ferrag bei Bewusstsein war oder nicht, sein Wille als Hüter seines Geists blieb davon unberührt. Nach einiger Zeit verlor Alton zunehmend die Geduld. Er hatte keine Zeit dafür, hier endlos mit halber Kraft den Geist dieses Abschaums zu berennen. Es galt, Rai zu finden, und der Einarmige wusste vermutlich, wo man ihn hingebracht hatte. Aber was nützte es, wenn Arton aus Wut die ganze Kraft seiner Gabe entfesselte und es ihm damit tatsächlich gelang, Ferrags Geist zu überwältigen und zu einer furchtsamen, widerstandslosen Masse zu machen? Ein verängstigter Ohnmächtiger würde wahrscheinlich noch weniger zu Rais Rettung beitragen können. Daher entschied sich Arton zu einem anderen Vorgehen.
Er brachte seine ganze verbliebene Konzentration auf, um in seinem Verstand einen einzigen Gedanken zu formen, ihn zu bündeln und schließlich mit ganzer Macht auf Ferrags verschlossenen Geist zu schleudern: Wach auf!
Zunächst zuckte der Einarmige nur zusammen, was für Arton ein sicheres Zeichen dafür war, dass ihn der Befehl erreicht hatte. Dann begannen jedoch Ferrags Augenlider zu zittern, bis er plötzlich wie aus einem inneren Zwang heraus die Augen aufschlug. Als er Artons Gesicht in der Dunkelheit des Zimmers erblickte, verzogen sich seine Mundwinkel, als würde ihm dieser Anblick Schmerzen bereiten.
»So bist du also endlich erwacht, Ferrag«, begann Arton, mit einem bedrohlichen Lächeln zu sprechen. Tatsächlich war er ebenso erstaunt wie erfreut über den vollkommen unverhofften Erfolg seines Gedankenrufs. Aber nun musste er das Erwachen des Hundeführers auch nutzen, um von ihm die gewünschten Informationen zu erhalten: »Das letzte Mal, als du mich gesehen hast, standen noch eine stabile Tür und deine bewaffneten Männer zwischen uns, aber ich habe dir gesagt, dass dich das nicht schützen wird.«
Der Einarmige schluckte einige Male, bevor er einen Laut hervorzubringen vermochte. »Welches Dämonenloch hat dich eigentlich ausgespuckt, Einäugiger?«, krächzte er bitter. »Was willst du überhaupt von mir? Ich habe mit dir keinen Streit.«
»Du hast meinen Freund Rai entführt«, antwortete Arton gelassen. »Das war nicht besonders klug. Ich will von dir wissen, wo er ist.«
Ferrag betastete vorsichtig seinen Kopfverband, während er sich im Zimmer umsah. »Was weiß ich, wo er ist, vielleicht haben ihn die Fische gefressen.«
Diese unbedachten Worte lieferten Arton den Anlass, seine Gabe nun ungebremst über Ferrags unnachgiebigen Geist hereinbrechen zu lassen. Er ist wach und zeigt sich weder reuevoll noch kooperativ – damit fordert er es im Grunde heraus, in seine Schranken verwiesen zu werden, dachte Arton. Außerdem wollte er auch einfach herausfinden, ob Ferrags Wille tatsächlich stark genug war, um seiner ganzen geistigen Macht zu widerstehen. Diesmal hielt Arton sich nicht mehr zurück und seine Gabe fand ungezügelt ihr Ziel.
Kawrin und Barat durchstöberten gerade die Küche im Erdgeschoss nach etwas Genießbarem, um ihre knurrenden Mägen zu besänftigen, als sie durchdringende Schreie aus Ferrags Zimmer im ersten Stockwerk vernahmen. Sie hasteten erschrocken die Treppe hinauf, um dort nach dem Rechten zu sehen, doch auf dem oberen Absatz kam ihnen bereits Arton entgegen. »Wir müssen zum Bergwerk«, sagte der Krieger völlig ruhig und begann, die Treppe hinabzusteigen.
»Was ist denn passiert?«, rief Barat vollkommen überrumpelt. »Wer hat da so geschrien?«
»Das war Ferrag, er ist erwacht«, sagte Arton, ohne sich umzudrehen. »Er hat mir freundlicherweise verraten, dass es dieser abtrünnige Minenarbeiter Nessalion war, der ihn niedergeschlagen hat. Auch den Grund dafür glaubt er zu kennen: Nessalion macht Rai für den Tod seines Sohnes im Bergwerk verantwortlich und deshalb wollte er Rai gegen Ferrags Willen in die Mine zurückbringen, um sich dort an ihm zu rächen. Kommt jetzt, wir müssen
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