Das Vermächtnis der Schwerter
für eine Antwort zu sammeln: »Ich bin mir nicht vollkommen sicher …«, erwiderte er mit einem entschuldigenden Achselzucken.
Arton erhob sich. Verbissen kämpfte er seinen aufwallenden Zorn nieder. »Dann sagt mir, was Ihr vermutet«, stieß er mit bebender Stimme hervor.
Erstaunt von der plötzlich so feindseligen Haltung des jungen Schwertfechters, versuchte Nataol, ihn zu beschwichtigen: »Es bedarf eines Kundigeren, als ich es bin, um die letzten Rätsel Eurer Herkunft und Fähigkeiten aufzudecken. Deshalb möchte ich Euch den Vorschlag unterbreiten, seine Heiligkeit, den Citarim, aufzusuchen. Keiner verfügt in diesen Dingen über ein vergleichbares Wissen. Seine Weisheit wird alle dunklen Winkel Eurer Vergangenheit erleuchten und er wird Euch Euren Platz in der göttlichen Vorsehung weit besser erläutern können, als ich das kann.«
Mühsam beherrscht umklammerte Arton mit einer Hand die Tischplatte. Er war es so unendlich leid, in Bezug auf seine Herkunft ständig hingehalten zu werden, zuerst von seinem Ziehvater Maralon und jetzt von diesem Priester, den er eigentlich schon zu schätzen begonnen hatte. Allerdings wusste Arton auch, dass ihn weder sein Jähzorn noch etwaige Drohungen bei dem Erleuchteten weiterbringen würden. All das hatte er schon ausprobiert und war damit nicht einmal an einen Bruchteil der Informationen gelangt, die er nun mittels respektvoller Höflichkeit bekommen hatte. Deshalb musste er sich jetzt, so gut es eben ging, zurückhalten.
»Hört zu«, sagte Arton, so ruhig wie möglich, »ich verlange nicht von Euch, mir irgendwelche absoluten Wahrheiten zu offenbaren. Ich will nur, dass Ihr mir sagt, was Ihr denkt. Ich weiß nicht, über welche Weisheiten Euer Citarim verfügt, noch habe ich die Absicht, das herauszufinden. Aber ich vertraue Eurem Urteil und daher bitte ich Euch, mir endlich einen Anhaltspunkt zu liefern, wer denn nun mein Erzeuger war.«
Betroffen senkte der Erleuchtete seinen Blick. »Das ist nicht so einfach, Arton«, erwiderte er leise. »Es handelt sich nur um eine Vermutung und es fällt mir schwer, diese auszusprechen, ohne abschließende Gewissheit zu haben.« Nataol seufzte tief. »Also gut, aber damit Ihr den größeren Zusammenhang versteht, müsst Ihr zunächst noch den Rest der Geschichte hören.« Und Nataol erzählte Arton von der Allianz des letzten Drachen mit dem Fardjan Caras, der Auslöschung der heiligen Naurain und wie Elban, ein Nachkomme von Caras, den Drachenbund zerstörte, so wie es im Heiligen Buch der Citpriesterschaft aufgezeichnet war.
»Elban Ikarion hat wirklich gelebt«, sagte Nataol dann, »nur ist seine Rolle sehr viel tragischer, als die volkstümliche Liebessaga über den Königssohn und das Nomadenmädchen Irina glauben machen will. Nachdem der letzte Drache lange Zeit in seiner Höhle um sein von Elban erschlagenes Junges getrauert und seine Wut genährt hatte, brach er plötzlich aus seinem Unterschlupf hervor, um Rache an den Bewohnern von Skardoskoin zu nehmen, die ihn so schmählich verraten hatten. Bevor auch nur eine einzige Waffe aus den Rüstkammern geholt worden war, lag bereits ein Großteil der königlichen Festung in Schutt und Asche, die meisten Soldaten starben in ihren Betten. In der Folge gelang es Skardoskoin nie wieder, ein schlagkräftiges Heer gegen das geflügelte Unheil zusammenzustellen, und alles, was blieb, war die rasche Flucht. Schutz für die Königsfamilie boten nur die alten Drachenfestungen der Naurain, deren noch immer erhaltenen, eisengegürteten Mauern und spitzen Zinnen als einzige dem Drachen widerstehen konnten. Deshalb machten die Herren von Skardoskoin das größte dieser uralten Bollwerke zu ihrem Herrschersitz und nannten es Arch Themur, was in Anbetracht ihrer Gottlosigkeit geradezu grotesk anmutet, denn die Wörter bedeuten Götterschild. Noch jahrelang verheerte der zornige Drache das Land. Der Fluch ihres Frevels gegen die Götter traf Skardoskoin, das Land des Drachenbunds, mit voller Härte.
Unterdessen hatte sich im Süden der Geheimbund der Fardjan-Torion gebildet. Diesem schlossen sich alle Fardjani an, die noch reinen Glaubens waren und sich den Helden Torion Ikarion zum Vorbild nahmen, der bis zuletzt treu an der Seite der Naurain gefochten hatte. Lange zur Heimlichkeit verurteilt, nutzten die Fardjan-Torion die Schwäche ihres alten Feindes, um im sicheren Süden ein eigenes Reich zu gründen, das sie zu Ehren des größten aller Götter Citheon, Land des Cit nannten.
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