Das Vermächtnis der Schwerter
geglaubte Schwert Fendralin mit sich führt. Wenn das heute kein großer Tag ist! Und wenn das keinen unumstößlichen Beweis für das wundersame Wirken der Götter darstellt, dann will ich nicht länger ein Priester des herrlichen Cit sein!«
Arton brachte keine Erwiderung zustande. Die Kiefermuskeln spannten sich unter den Wangen des Kriegers wie Taue. Aber die schwerwiegendste Eröffnung stand ihm noch bevor und eine dunkle Vorahnung hatte sich bereits über sein Gemüt gelegt.
»Mein Vater?«, fragte er gepresst.
Die Begeisterung des Hohepriesters erstarb augenblicklich. »Ich habe nicht vergessen, was Ihr von Anfang an von mir zu erfahren wünschtet. Ich wollte Euch aber zunächst begreiflich machen, wie außergewöhnlich Euer Talent für die Geistsprache ist und welche jahrhundertealte Geschichte dahinter steht. Es bleibt kein Raum für Zweifel daran, dass Ihr, wie auch Ecorim und König Noran, das edle Blut der Fardjani in Euch tragt. Auch ich gehöre diesem Volk an, aber meine Begabung kann sich schwerlich mit der Euren messen. Ihr scheint, ebenso wie Ecorim, den Geist von Menschen öffnen zu können, auf eine Art und Weise, die mir unverständlich bleibt. Und dennoch, obwohl Ihr dieselbe Gabe teilt, ist nicht Ecorim Euer Erzeuger. Es gibt aber neben Ecorim Erenor nur noch einen weiteren Fardjani, der Euch solche Fähigkeiten in die Wiege gelegt haben könnte. So bedrückend das auch für Euch sein mag, er war ein direkter Nachfahre des Caras und gehörte dem Hause Ikarion an. Besser bekannt ist er jedoch unter seinem Kriegsnamen, den er als Herrscher von Skardoskoin annahm. Er lautet: Hador Badach.«
Nun, da es ausgesprochen war, fühlte sich Arton wie betäubt. Er hatte sich bis zuletzt gegen diese schreckliche Ahnung gewehrt, hatte die offensichtlichen Schlussfolgerungen, welche sich aus den Erzählungen des Erleuchteten ergaben, zu ignorieren versucht, hatte gehofft, es gäbe noch eine andere Möglichkeit. Aber jetzt konnte er es nicht mehr leugnen. Er hatte die Worte gehört, jene schreckliche Vermutung des Hohepriesters, die sich mit seinen eigenen geheimen Befürchtungen vollkommen deckte. Er war der Nachkomme des größten Fluchs, der die Ostlande in den letzten hundert Jahren heimgesucht hatte. In ihm floss das Blut des Frevlers Caras, der die Menschen zur Rebellion gegen die Götter angestiftet, mithilfe des letzten Drachen die Stadt der göttlichen Naurain zerstört und ihre Bewohner vertrieben hatte. Es kam Arton vor, als wäre ihm gerade eröffnet worden, dass alles Übel der Welt in seiner Person Gestalt angenommen hätte.
»Bitte«, versuchte Nataol, zu beschwichtigen, dem die Erschütterung des jungen Erenor nicht entgangen war, »zieht keine voreiligen Schlüsse. Euer Erbe ist sicherlich eine schwere Last, dennoch spricht nichts dagegen, Euch mithilfe der Götter von diesem Mühlstein Eurer Abstammung zu befreien. Verzagt nicht, sondern vertraut auf die Güte Cits. Denn er führte Euch hierher, er vertraute Euch das Schwert Themuron an und er sorgte für unser Zusammentreffen. All das muss eine Bedeutung haben, für die jedoch mein Verständnis nicht ausreicht. Daher kann ich Euch nur noch einmal nahe legen, mit mir den Citarim in Tilet aufzusuchen, denn er wird den Willen des Cit zu deuten wissen. Ich bitte Euch inständig, vertraut Euch dem Citarim an, ergründet mit seiner Hilfe den Sinn hinter diesen verwirrenden Begebenheiten.«
Aber Arton fühlte sich innerlich so zerrissen, dass er die Gegenwart des Priesters nicht länger ertragen konnte. Es sollte niemand Zeuge werden, wie er seine Fassung vollends verlor. Als wäre er auf der Flucht vor einem unsichtbaren Feind, verließ Arton hastig Nataols Zimmer.
SCHÄTZE DER UNTERWELT
D ie Xeliten kamen am folgenden Morgen. Rai war gerade erst erwacht, nach einer ungemütlichen Nacht im ehemaligen Lagerhaus neben dem ausgebrannten Wachturm. Er kehrte eben aus einem nahen Gebüsch vom Wasserlassen zurück, als er aus der Eingangsspalte zum Bergwerk Rufe vernahm. Überrascht warf er einen Blick in die Tiefe und entdeckte unten eine Gruppe der Xelosanhänger, die offensichtlich beabsichtigten, ihr selbst gewähltes Exil das erste Mal seit Jahren zu verlassen. Ob sich Selira darunter befand, vermochte Rai wegen der schlechten Lichtverhältnisse am Grund der Höhle nicht zu beurteilen. Dennoch versetzte ihn das Auftauchen der kleinen Schar in Aufregung, war es doch vermutlich vor allem seinem Drängen zu verdanken, dass sich zumindest
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