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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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hilft es gegen Wassersucht, Verstopfung und Gallenbeschwerden, doch zu viel davon kann selbst einem kräftig gewachsenen Mann das Herz erstarren lassen. Für das Kind wäre diese Menge hier absolut tödlich gewesen.«
    »Das weiß sie alles, weil sie diesen Trank selbst gebraut hat«, kreischte ihre Gegnerin.
    Einige der umstehenden Russen nickten unwillkürlich und bedachten Marie mit leisen feindseligen Bemerkungen, denn so viel Wissen trauten sie Darja nicht zu.
    Der Priester winkte ihnen, still zu sein. »Wir werden gleich sehen, wer hier die Wahrheit spricht und wer nicht. Andrej Grigorijewitsch!«
    Der Angesprochene trat vor. »Ja, ehrwürdiger Vater?«
    »Du wirst dich sofort in die Stadt begeben und die alte Wassilissa holen. Sie soll sich beeilen, sonst bekommt sie die Knute. Sag ihr das!«
    Obwohl dies ein Auftrag war, den auch ein Knecht hätte ausführen können, nickte Andrej, denn die Alte mochte helfen, Maries Unschuld zu beweisen. Die Deutsche hatte seines Erachtens nicht den geringsten Grund, dem Thronfolger zu schaden, denn wenn sie nicht auf Wladimir Acht gab und Anastasias Vertrauen verlor, würde sie unter der Knute enden.
    Die gleichen Gedanken gingen auch dem Priester durch den Kopf, und er behielt die Leute scharf im Auge. Diese glaubten an die Unschuld der Magd, weil sie sie kannten und sie eine von ihnen war. Marie war eine Fremde und auch noch eine Ketzerin, der sie von Haus aus alles Schlechte zutrauten.
    Als Pantelej die Umstehenden musterte, entdeckte er den Fürsten, der die Szene mit grimmigem Gesicht verfolgte. »Was willst du mit dem Kräuterweib, ehrwürdiger Vater? Wir sollten Gott selbst um ein Urteil bitten. Er wird das Weib verschonen, das unschuldig ist.« Dimitri war anzusehen, dass er die Angelegenheit rasch beseitigt sehen und in sein Bett zurückkehren wollte.
    Der Pope wusste, dass er mit aller Vorsicht handeln musste.
    »Dein Wort ist gerecht und weise wie immer, mein Fürst. Doch müssten wir mit einer solchen Probe bis zum hellen Tag warten. Jetzt in der Nacht spähen die Dämonen der Finsternis uns Menschen aus und würden der Schuldigen helfen, über die Unschuldige zu triumphieren.«
    Dimitri kniff die Augenlider zusammen, nickte dann aber und befahl seinem Diener, ihm einen Stuhl zu bringen. Auch die hinzugekommene Fürstin wies ihre Dienerin an, eine Sitzgelegenheit zu besorgen. Da bemerkte sie, dass sie im Hemd vor ihren Leuten stand, als wäre sie eine einfache Magd. Daher rief sie derBediensteten noch nach, ihr einen Sarafan mitzubringen. Noch etwas mitgenommen blickte sie zu ihrem Sohn, den das Schicksal ihr beinahe entrissen hätte, und dankte in Gedanken Gott, dass er dies nicht zugelassen hatte.
    Unterdessen versuchte Gelja, den kleinen Wladimir in den Schlaf zu wiegen, denn Alika hatte sich angesichts der feindseligen Bediensteten fluchtartig in ihre und Maries Kammer zurückgezogen. Doch als der kleine Prinz nicht aufhören wollte zu schreien, befahl Anastasia, die Mohrin aus dem Bett zu holen, damit sie den Kleinen beruhige.
    Die Wachen drückten unterdessen Marie und ihre Gegnerin mit ihren Speeren jeweils in eine Ecke und hielten sie dort fest. Darja krümmte sich, als hätte sie Bauchweh, und flehte alle Augenblicke die Muttergottes oder einen der schier zahllosen Heiligen ihrer Kirche an, ihr beizustehen. Dazwischen beteuerte sie ihre Unschuld und brach in Verwünschungen gegen Marie aus. Schließlich wurde es der Fürstin zu bunt, und sie befahl der Magd, den Mund zu halten, wenn sie nicht ein paar Hiebe mit dem Speerschaft bekommen wolle.
    Dabei deutete Anastasia mit keiner Geste an, welche der beiden Frauen sie für unschuldig hielt, denn sie kannte ihren Gemahl und wusste, dass er genau diese verurteilen würde. Auch so war sie höchst besorgt, denn wenn Dimitri die Frau aus dem Westen sterben sehen wollte, würde ihr nichts anderes übrig bleiben, als ein stilles Gebet für sie zu sprechen.

II.
     
    N ach fast einer Stunde kehrte Andrej mit einer kräftig gebauten älteren Frau zurück, die mit einem waidblauen Sarafan, einer braunen Jacke und einer einfachen Haube bekleidet war. In ihrer Hand trug sie einen großen Korb, der den Geruch verschiedenerKräuter verströmte. Ihr Gesicht wirkte mürrisch, und als sie sich Pantelej zuwandte, klang ihre Stimme nicht gerade ehrfurchtsvoll.
    »Was soll das, Väterchen? Ich bin gerade erst vom Kräutersammeln zurückgekehrt und als alte Frau brauche ich meinen Schlaf. Krank ist hier ja niemand, wie ich

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