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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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gehört habe.«
    »Es geht um einen Mord oder, besser gesagt, einen versuchten Mord«, klärte der Priester sie auf. »Hier, sieh dir den Inhalt dieses Fläschchens an und sag mir, was du davon hältst.« Mit diesen Worten streckte er ihr das Fläschchen hin.
    Die alte Kräuterfrau nahm es, schnupperte misstrauisch daran und ließ einen Tropfen auf ihren Zeigefinger fallen. Vorsichtig berührte sie diesen mit ihrer Zungenspitze und spie dann aus.
    »Das ist keine Medizin, sondern ein übles Gebräu, das nur schaden kann.«
    »Weißt du, woraus es besteht?«, fragte Pantelej ungeduldig.
    »Der Hauptteil ist Saft von Gallenkraut, aber ich glaube, auch Mutterkorn zu spüren. Dazu rate ich aber nur dann, wenn ein Weib bei der Geburt eines Kindes so stark blutet, dass es in Gefahr gerät, sein Leben zu verlieren. Es kann auch Rehfarn dabei sein, der gegen Würmer hilft, in größerer Menge aber den Tod bringt.« Die Frau wollte weitersprechen, als der Priester sie kurzerhand unterbrach.
    »Das sind wohl alles Sachen, die einem kleinen Kind schaden können?«
    »Schaden?« Die Kräuterfrau sah ihn an, als zweifele sie an seinem Verstand. »Mit dem Inhalt dieses Gefäßes kannst du zehn Kinder umbringen.« Sie begriff jetzt erst so richtig, wo genau sie sich befand, und schlug das Kreuz. »Bei der Heiligen Jungfrau. Es wollte doch wohl niemand den Thronfolger ermorden?«
    »Genau das wurde versucht. Du wirst uns jetzt helfen, die Schuldige von der Unschuldigen zu scheiden. Diese beiden Weiber dort«, Pantelej wies auf Marie und Darja, »behaupten jeweils, dieandere daran gehindert zu haben, dieses Mittel dem Thronfolger einzuflößen.«
    »Aber was kann ich denn da tun, wo doch du selbst und der hochmächtige Fürst Dimitri um so viel klüger seid als ich altes, dummes Weib?«, wunderte sich die Frau.
    »Diese Magd hier behauptet, die Fremde habe dieses Mittel zusammengemischt, um den Thronfolger zu töten. Kannst du uns sagen, ob dies möglich ist?«
    Die Alte schüttelte heftig den Kopf. »Das kann sie nicht gebraut haben, denn zum einen hätte es jeder gerochen, und zum anderen ist sie nicht bei mir in die Lehre gegangen. Jede Kräuterfrau hat ihre eigenen Rezepturen und gibt sie nur an ihre besten Schülerinnen weiter.«
    Sie schnüffelte noch einmal an dem Fläschchen. »Ein Teil des Inhalts ist mit Sicherheit von mir. Das rieche ich deutlich. Andere Kräuterfrauen aus Worosansk benutzen diese Mischung nicht, so dass ich den Unterschied erkennen kann. Den Hauptteil der Tinktur habe ich vor der Geburt des Thronfolgers zubereitet, um der Fürstin zu helfen. Damals wurde ich gerufen, weil es sehr schlecht um die Herrin stand, konnte sie aber mit meiner Kunst und der Hilfe Gottes und der Heiligen Jungfrau von Wladimir retten.« Es klang sehr zufrieden – und wohl auch mit Recht, denn die alte Wassilissa hatte Anastasia damals von der Schwelle des Todes zurückgeholt.
    Der Beichtvater des Fürstenpaars nickte, als habe er keine andere Auskunft erwartet. »Wenn diese Mittel schon seit Monaten hier im Palast waren, kann die Amme des Prinzen sie nicht gebraut haben.«
    Die alte Kräuterfrau bestätigte seine Worte energisch. »Da sind mehrere Tinkturen von mir zusammengeschüttet worden. Das konnte nur eine der Dienerinnen unserer Herrin tun, die wusste, welche Medizin ich für die Fürstin gebracht hatte.«
    Die Mägde tuschelten, und es war deutlich zu vernehmen, dassdie meisten Wassilissa vertrauten und von Darja abrückten, die Anastasia schon während der Schwangerschaft gedient hatte.
    Die engsten Freundinnen der früheren Kindsmagd aber zischten Verwünschungen in Maries Richtung und eine trat entschlossen vor den Priester. »Die Fremde kann das Zeug aus der Truhe genommen haben, in der die Fläschchen aufbewahrt wurden!«
    »So muss es gewesen sein! Ich wusste doch gar nicht, wo dieses Teufelszeug steckte.« Darja versuchte, mit fester Stimme zu sprechen, doch jedes Wort verriet ihre Angst.
    Die Oberhofmeisterin klopfte mit ihrem Stock auf die Erde. »Du lügst! Ich habe selbst gesehen, wie du die Behältnisse mit den Arzneien in die dafür bestimmte Truhe geräumt hast.«
    Verblüffung schwang nun in dem allgemeinen Gemurmel mit, denn alle wussten, dass die Aufseherin über die Mägde die Fremde nicht mochte. Aber die meisten erinnerten sich auch daran, wie hart diese Frau Lügen bestrafte. Jetzt setzte sie Darja die Spitze ihres Stocks auf die Brust. »Hat dir die Herrin nicht ein Fläschchen mit ein wenig Duftöl

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