Das Vermächtnis der Wanderhure
geschenkt, weil du dich ihres Sohnes angenommen hast? Wir konnten es viele Tage an dir riechen.«
»Das ist wahr!«, rief Gelja. Die junge Russin hatte anfangs nur ungern dem Befehl der Fürstin gehorcht, der Fremden zu dienen, die als gekaufte Sklavin eigentlich unter ihr stand. Doch inzwischen kam sie mit der Lateinerin besser zurecht als mit den älteren Mägden, die sie zumeist wie ein dummes Kind behandelten. Doch jetzt zeigten ihre Worte Wirkung, und diejenigen, die noch offen zu Darja gehalten hatten, zogen sich hinter die anderen zurück, als fürchteten sie, für Mitwisserinnen gehalten zu werden.
Die einstige Kindsmagd begriff, dass sich die Schlinge um ihren Hals zuzog, und warf sich schreiend und um Gnade flehend zu Boden. Der Ausdruck im Gesicht des Fürsten zeigte jedoch nicht nur ihr, dass er das Urteil über sie gefällt hatte. Er entriss einem seiner Männer die Knute und schlug damit auf die Kindsmagd ein. »Wer hat dich dafür bezahlt, meinen Sohn zu töten? War esmein Bruder Jaroslaw? Oder diese von Gott verfluchten Moskowiter?« Bei jedem Wort fraß sich die Peitsche tief in das Fleisch der Frau.
»Ja, ja, so war es, Herr! Sie haben mich dazu angestiftet!« Die Kindsmagd kreischte und verfluchte in einem Atemzug den Bruder des Fürsten, den Großfürsten Wassili von Moskau und Marie, die sie von allen am meisten hasste.
Schließlich fiel Pantelej dem Fürsten in den Arm. »Verzeih, Väterchen Dimitri Michailowitsch, doch in seiner Verderbtheit würde dieses Weib jeden beschuldigen, den Tod des Thronfolgers zu wünschen, nur um eine leichtere Strafe zu erhalten. Moskau mag vielleicht dahinterstecken, doch die Männer des Großfürsten hätten gewiss nicht so ein dummes Ding dazu angestiftet. An Jaroslaws Schuld wage ich ebenfalls zu zweifeln, denn dafür wird er zu gut bewacht. Oder willst du etwa Lawrenti Jurijewitsch misstrauen, deinem Schwertträger und rechten Arm in der Schlacht?« Die Augen des Priesters flackerten, denn vom Zorn übermannt, wusste der Fürst nicht mehr Freund von Feind zu unterscheiden.
Man sah Dimitri an, dass er seinem Beichtvater am liebsten widersprochen hätte, doch er war nüchtern genug, um die Wahrheit in Pantelejs Worten zu erkennen.
Andrej kam dem Popen zu Hilfe. »Ein von Moskau oder Jaroslaw ausgesandter Meuchelmörder hätte gewiss klüger gehandelt. Diesem hätte es nämlich gereicht, das Kind im Schlaf zu ersticken. Das Weib aber wollte mit ihrem Verbrechen die Amme ins Verderben reißen.«
Als Fürst Dimitri Darja mit der Knute züchtigte, erstarrte Marie innerlich und kämpfte mit dem Juckreiz, den ihre eigenen, beinahe zwanzig Jahre alten Narben auslösten. Gleichzeitig begriff sie, in welcher Gefahr sie geschwebt hatte, und betete stumm zur Jungfrau Maria und ihrer Schutzheiligen Maria Magdalena. Doch sie war nicht nur den Himmlischen dankbar für die Hilfe,die diese ihr angedeihen ließen, sondern auch Andrej und dem Priester, die sich beide für sie eingesetzt hatten. Während der junge Edelmann eher erleichtert wirkte, machte der Priester ein betrübtes Gesicht, als könne er nicht begreifen, dass der Mordversuch an dem Thronfolger von einer Frau begangen worden war, die die Riten seiner Kirche mit Inbrunst befolgt hatte.
Die Fürstin schien mit der Entwicklung offensichtlich zufrieden zu sein, wohl weil sie Darja von Anfang an in Verdacht gehabt hatte. Nun nahm sie ihrem Gemahl die Knute aus der Hand und zog sie der Magd einige Male über. Dabei beschimpfte sie die Frau in ihrer Muttersprache, die ihr leichter über die Lippen kam als das mühsam erlernte Russisch. Als sie innehielt, schimmerten die Riemen der Peitsche rot.
Schwer atmend warf sie die Knute weg und wandte sich an ihren Gemahl. »Das Weib verdient schwere Strafe!«
Nun verwendete sie wieder die russische Sprache, denn im Gegensatz zu seinem Vater Michail, der Anastasia aus Konstantinopel mitgebracht hatte, war Dimitri des Griechischen nicht mächtig und weigerte sich zum Leidwesen seiner Frau, es zu lernen.
Der Fürst nickte und stieß die am Boden kauernde Magd mit der Fußspitze an. »Du Tochter einer räudigen Hündin wolltest meinen Sohn ermorden. Dieses Verbrechen kann nur der Tod sühnen. Übergebt sie meinen Tataren. Sie sollen mit ihr verfahren, wie sie es gewohnt sind. Bei Tagesanbruch muss das Weib tot sein.«
Darja schrie auf und umklammerte seine Füße. »Nicht die Tataren, mein Herr! Verschone mein Leben, und ich werde dir und deinem Sohn mit aller Kraft
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