Das Vermächtnis der Wanderhure
eine bittere Füllung, fuhr es Lawrenti durch den Kopf. Bislang war es den Fürsten von Worosansk stets gelungen, zwischen Moskau und den anderen Fürstentümern zu lavieren, ohne sich eindeutig auf die eine oder die andere Seite festzulegen. »Du verlangst also, dass wir Moskauer Vasallen werden. Ich kann nicht sagen, dass mir das gefällt.«
»Nicht Vasall! Verbündeter!«, rückte Romanowitsch die Umschreibung desselben Zustands ein wenig zurecht. »Worosansk behält seinen eigenen Fürsten und wird auch nicht verpflichtet sein, Moskau Tribut zu zahlen. Aber es muss denGroßfürsten mit eigenen Truppen im Kampf gegen seine Feinde unterstützen.«
»Wo siehst du den Unterschied zwischen Vasall und Verbündetem?«, antwortete Lawrenti heftig, denn so hatte er sich Dimitris Ablösung und Jaroslaws Zukunft nicht vorgestellt.
Erneut suchte ihn einer der beiden alten Berater zu beschwichtigen. »Moskau ist ein großes Reich, und ihm dienen Fürsten von Ländern, die weitaus mächtiger sind als unser Worosansk, mit Freuden als Vasallen. Doch all diese hohen Herren müssten hinter Fürst Jaroslaw zurückstehen, wenn dieser als Freund und Verbündeter Wassilis auftritt.«
»Noch ist Jaroslaw nicht Fürst und euer Plan nicht mehr als ein Hirngespinst«, gab Lawrenti scharf zurück.
»Ich dachte nicht, dass du so an Dimitri hängst, der unser Land in den Untergang führt. Immerhin hast du ihn selbst heftig kritisiert.« Der Alte maß Dimitris Schwertträger mit einem verächtlichen Blick.
Der Anführer der Moskauer hielt es für geraten, die erhitzten Gemüter abzukühlen. »Bis jetzt reden wir nur über das, was Moskau will. Sieh dir an, Lawrenti Jurijewitsch, was Juri von Galic vorhat. Wenn es nach ihm geht, wird Worosansk erobert und als Teilfürstentum an Sachar Iwanowitsch übergeben. Willst du ihn hier als neuen Herrn sehen?«
Bei dem Gedanken an den verräterischen Bojaren schüttelte Lawrenti den Kopf. »Gewiss nicht! Wie es aussieht, haben wir nur die Wahl zwischen Sachar Iwanowitsch, vor dem uns die Heilige Jungfrau bewahren möge, und der Moskauer Knechtschaft.«
»Warum siehst du es als Knechtschaft an, wenn Großfürst Wassili Jaroslaw von Worosansk an sein Herz drückt und ihn seinen Bruder nennt? Aber ich kann dir die Alternative nennen, die euch im Fall einer Weigerung bleibt. Da Worosansk aus strategischen Gründen nicht in die Hand des Feindes fallen darf, wird Moskaues erobern müssen. Der neue Herr wird dann jedoch kein Fürst aus dem alten Worosansker Blut sein, sondern ein Moskauer Bojar. Zwischen diesen drei Möglichkeiten müsst ihr wählen, und ich glaube nicht, dass die Wahl schwer fallen wird.«
Das war auf alle Worosansker gemünzt, die sich im Raum befanden. Wie die anderen blickte Lawrenti als Erstes Jaroslaw an. Von dessen Entscheidung hing nun die Zukunft des Fürstentums ab. War er bereit, sich gegen seinen Bruder zu stellen, oder würde er den Rücken krümmen und versuchen, das Gewitter, das am Horizont aufzog, irgendwie zu überstehen?
Da Jaroslaw stumm blieb, breitete Lawrenti ratlos die Hände aus.
»So einfach, wie du es dir vorstellst, Brüderchen, ist die Sache nicht. Wir sind nur ein paar Männer und können keinen Heerhaufen um uns scharen, der groß genug ist, um sich gegen Dimitris Gefolgsleute und seine Tataren zu behaupten.«
Der Moskauer winkte ab. »Es bleibt euch keine Zeit, lange Intrigen zu spinnen, denn Juri von Galic und Sachar Iwanowitsch kommen bald über euch. Der Großfürst weiß, dass seine Getreuen in Worosansk zu schwach sind, um sich ihres Fürsten zu entledigen. Aus diesem Grund ist bereits ein Heer auf dem Marsch nach Worosansk. Werden ihm die Tore geöffnet, kommt es als Freund. Ansonsten werden wir Worosansk erobern und unter Moskaus direkte Herrschaft stellen.«
Lawrenti erbleichte, ein Angriff der Moskowiter würde ein Blutbad nach sich ziehen, die Krieger würden morden, plündern und schänden, bis die Stadt halb entvölkert war und in Trümmern lag. Dann würde der Anführer des Heerhaufens, möglicherweise dieser Romanowitsch, zum neuen Statthalter ernannt werden.
Ihm graute bei dieser Vorstellung, und er bot dem Bojaren die Stirn. »Wollt ihr jetzt, mitten im Winter, Krieg führen? Wenn die Tore unserer Stadt fest geschlossen bleiben, würde euch dies viele Männer kosten.«
Boris Romanowitsch maß ihn mit einem verächtlichen Blick.
»Seit wann fürchtet ein Russe den Winter? Oder wird hier in Worosansk erzählt, Alexander Newski habe
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