Das Vermächtnis der Wanderhure
werde ich mit seiner Hilfe in der Lage sein, meinen Töchtern die Mitgift zu geben, die sie brauchen, um in hochgestellte oder zumindest uns ebenbürtige Häuser einheiraten zu können. Um das, was dann noch von Hettenheim übrig sein wird, kann sich mein angeblicher Sohn mit Ritter Heinrich streiten. Viel wird es nicht sein.«
Rumold von Lauenstein musterte sie kopfschüttelnd. »Warum liegen dir deine Töchter auf einmal so am Herzen? Bisher hast du sie kaum beachtet.«
»Solange ich auf einen eigenen Sohn hoffen konnte, waren sie unwichtig. Doch in ihren Adern fließt, wie du vorhin so schön gesagt hast, mein Blut, und ich will, dass sie so viel vom Erbe ihres Vaters erhalten, wie es nur möglich ist.«
»Und was ist mit deiner Jüngsten? Lebt sie überhaupt noch?« Lauenstein sagte es mit müder Stimme, denn die ständigen Auseinandersetzungen mit Hulda hatten ihn zermürbt. Er fragte sich, wieso es ihm gelang, den Pfalzgrafen von Plänen abzubringen, die ihm nicht gefielen, während er bei seiner Tochter völlig versagte.
»Die Hure kümmert sich um sie. Zumindest hat sie sie vorhingesäugt. Mag sie es für ihr eigenes Kind halten. Mir liegt nichts an dem Ding, denn ich habe sechs andere zu versorgen.«
Das Urteil, welches Frau Hulda über ihr letztes Kind sprach, klang endgültig. Lauenstein beruhigte sich damit, dass das Kleine so schwächlich war. Weder er noch die Leibmägde hatten angenommen, es würde noch auf der Welt sein, wenn das Kind der Marie Adlerin zur Welt gekommen war. Wahrscheinlich hatte nur die Besessenheit seiner Tochter, ihren Milchfluss zu erhalten, das Kind überleben lassen. Er erinnerte sich gut daran, dass Hulda in ihrem Bestreben, endlich einen Sohn zur Welt zu bringen, Hexen und Magier aufgesucht hatte, deren Ruf nicht der beste war, und ihm grauste mit einem Mal vor seiner Tochter.
»Tu, was du willst! Ich muss nach Heidelberg an den Hof zurückkehren, sonst beginnt Herr Ludwig auf andere Berater zu hören. Es wäre nicht gut, wenn ich ausgerechnet in dieser Zeit meinen Einfluss verlieren würde.«
»Ich werde den Kastellan anweisen, morgen früh die Pferde für dich und deine Eskorte bereitzustellen.« Hulda lächelte ihrem Vater freundlich zu, doch hinter ihrer friedfertigen Miene spürte er eine Verbissenheit, gegen die er nicht ankam.
»An deiner Stelle würde ich mich nicht zu sehr auf diesen Krämer verlassen. Selbst wenn es Schäfflein gelingt, die Hure als Sklavin an die Heiden zu verkaufen, ist sie damit nicht aus der Welt. Es werden immer wieder christliche Sklaven freigekauft. Das solltest du bedenken.«
»Dort, wo Schäfflein das Weib hinschaffen lässt, wird sie gewiss nicht freigekauft. Doch nun erlaube, dass ich dich verlasse, Vater. Ich muss meinen Sohn nähren.«
Frau Hulda stand mit einem herablassenden Kopfnicken auf und ging. Ihre Schritte waren beschwingter als früher. Aus der Macht, die sie nach Falkos Tod über die Menschen um sich herum gewonnen hatte, schöpfte sie eine Kraft, die sie weit über andere Menschen erhob. Selbst ihr Vater tat, was sie wollte, und sie warsich sicher, dass sie noch mehr Einfluss gewinnen würde, denn nun war sie nicht mehr die verlachte Mutter einer schier endlosen Zahl von Töchtern, sondern konnte Falkos Erben aufweisen und in seinem Namen unangefochten die Herrschaft über den gesamten Besitz ihres Mannes ausüben.
Während sie in ihre Kammer zurückkehrte, bedauerte sie ein wenig, dass sie Margas Wunsch, Marie durch ihre Getreuen schänden zu lassen, nicht in die Tat umsetzen konnte. Doch sie durfte kein Risiko eingehen. Auf Xanders Schweigen konnte sie sich verlassen, doch Tautacher, dieser Narr, würde im Suff damit prahlen, Michel Adlers Weib gestoßen zu haben. Das konnte zu viel Staub aufwirbeln, und für eine offene Fehde mit dem Wirtsschwengel Michel Adler, der als Reichsritter protzig auf seiner Burg hockte, war sie noch nicht gerüstet. Zu dieser Auseinandersetzung durfte es erst kommen, wenn der Bengel, den sie nun Sohn nennen musste, sein Erbe angetreten hatte und zum Ritter geschlagen worden war. Waren ihre Töchter erst gut versorgt, mochten Vater und Sohn sich gegenseitig die Köpfe einschlagen und so ihre Rache vollenden.
Frau Hulda wurde bewusst, dass sie noch mehr tun musste, um das Geheimnis um ihren Sohn zu wahren. Mitwisser wie Tautacher waren ein zu großes Risiko für ihre Pläne. Den Hauptmann ihrer Wache würde sie zuerst ersetzen müssen, aber das durfte nicht offen geschehen. Ihr Kontakt
Weitere Kostenlose Bücher