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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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genug gehen. Tautacher und sein Stellvertreter murrten, weil ihnen die sicher geglaubte Beute entging, entschädigten sich aber mit ein paar Mägden, die durchaus willens waren, sich die beiden einflussreichen Gefolgsleute der Herrin zu Freunden zu machen. Eine weitere Person konnte jedoch nicht mehr murren. Das war Marga, die man am Morgen von Schäffleins Abreise steif und schon kalt auf ihrem Strohsack fand. Niemand wusste, dass Frau Hulda der nun überflüssig gewordenen Magd am Abend zuvor einen mit Gift versetzten Weinkrug gereicht hatte, den Marga in der Erwartung geleert hatte, nun doch den von ihr erhofften Platz in Frau Huldas Gefolge einnehmen zu können.
    Marie erfuhr nichts vom Tod der Frau, die sie zweimal verraten hatte. Allerdings hätte es sie in dem Zustand, in dem sie sich befand, auch nicht interessiert. Auf Schäffleins Wunsch war ihr ein betäubender Trank eingeflößt worden, und so nahm sie nichts davon wahr, wie Alke und Beate an diesem Morgen ihre Kammer betraten und sie für eine Reise vorbereiteten, die nach dem Willen ihrer Feindin in das schlimmste Elend führen sollte. Hulda war ihren Leibmägden gefolgt, blieb aber an der Tür stehen. Die beiden zogen Marie den Kittel aus und wechselten noch einmal den Verband.
    Als ihre Herrin sich ärgerlich räusperte, drehte Beate sich um und sagte mit unerwarteter Heftigkeit: »Das müsste mehrmals am Tag geschehen, sonst besteht die Gefahr, dass die Fraubald schon verreckt! Das dürfte wohl kaum in Eurem Sinne sein.«
    Hulda hieb wütend mit der Hand durch die Luft. »Nein, das ist es wirklich nicht. Ich werde Schäfflein befehlen, die Hure gut pflegen zu lassen.«
    Beate wagte es nicht, Frau Hulda ins Gesicht zu sehen, denn sonst hätte ihre Herrin erkannt, wie sehr sie sie in diesem Moment verabscheute. Bis jetzt hatte sie Lauensteins Tochter gerne gedient, doch nun wurde sie zu Taten gezwungen, die ihr Seelenheil gefährdeten. Sie konnte sich noch nicht einmal dem Burgkaplan anvertrauen, denn der war der Herrin völlig ergeben und berichtete ihr alles, was er von seinen Beichtkindern erfuhr.
    Im Gegensatz zu ihr wurde Alke von keinerlei Skrupeln geplagt, sie behandelte die Bewusstlose wie eine Gliederpuppe und verbog ihr die Arme, dass die Gelenke krachten. Verärgert fauchte sie Beate an, die mehr um die Gesundheit der Gefangenen bemüht zu sein schien als darum, Frau Huldas Befehle auszuführen. Um nicht noch mehr gescholten zu werden, beeilte diese sich und half ihrer Schwester, Marie die Kleidung anzuziehen, die Schäfflein für angemessen hielt. Es handelte sich um ein derbes Hemd und einen einfachen grauen Kittel, wie er den niedrigsten Mägden zustand. Schuhe gab es keine, dafür aber ein Kopftuch, das den Kopf der Bewusstlosen bis tief in die Stirn verdeckte.
    »Wir sind fertig, Herrin«, meldete Alke.
    Frau Hulda nickte zufrieden und wies die Mägde an, Marie nach unten zu tragen. Alke verzog unwillig die Lippen, denn sie hätte diese Arbeit lieber den Knechten überlassen. Es war ihr jedoch klar, dass die Herrin so wenig Menschen wie möglich ins Vertrauen ziehen wollte. Maries wahre Identität durfte nur Eingeweihten bekannt werden. Für die meisten Bewohner der Otternburg war sie nur eine weitere Magd, die Frau Huldas Gemahl kurz vor seinem Tod geschwängert hatte und die nun an einenabgelegenen Ort gebracht werden sollte, damit sie das Vertauschen der Kinder nicht ausplaudern konnte.
    Die Herrin hat alles gut geplant, fuhr es Beate durch den Kopf, während sie mit ihrer Schwester Marie die steile, enge Treppe hinabschleppte und in einen Planwagen legte. Der Kaufmann sah ihnen mit verschränkten Armen zu und ärgerte sich, dass man sein eigenes Reittier vor das Gefährt gespannt hatte. Der trittsichere, aber temperamentlose Wallach war es gewöhnt, eine kleine, offene Kutsche zu ziehen. Der Planwagen war jedoch um einiges schwerer, und Schäfflein würde ihn selbst fahren müssen, da er seine eigenen Leute wohlweislich zurückgelassen hatte und Frau Hulda sich weigerte, ihm Knechte mitzugeben. Nur ein Bewaffneter würde mit ihm kommen, ihn beschützen und gleichzeitig darauf aufpassen, dass er sich an die Vereinbarungen hielt. Es war Xander, der wie bei Maries Entführung eine einfache Rüstung ohne jedes Abzeichen trug. Für alle, die ihm begegneten, würde er nicht mehr sein als ein verarmter Ritter, der sich nicht einmal mehr einen Knappen leisten konnte und darauf hoffen musste, in die Dienste eines anderen Herrn treten zu

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