Das Vermächtnis der Wanderhure
schwöre dir, ihn zum ärgsten Feind deines Mannes zu erziehen! Ich werde nicht eheraufgeben, bis Michel Adler auf Kibitzstein durch seine Hand gefallen ist!«
Frau Hulda weidete sich an Maries entgeistertem Gesicht, und ihr Gelächter klang kaum noch menschlich.
Marga pflichtete ihr liebedienerisch bei. »Das ist die richtige Strafe für diese Hure, die sich angemaßt hat, wie eine Dame von Stand aufzutreten, Herrin.«
Dann trat sie ans Bett und blickte gehässig auf Marie herab. »Das ist erst der Anfang! Ich schwöre dir, du wirst schon bald dein Ende herbeisehnen. Frau Huldas treue Waffenträger gieren bereits danach, dich zu benutzen, und ich versichere dir, sie wissen, wie man einem Weib Schmerzen zufügen kann.«
Marga wollte noch mehr sagen, doch da packte Frau Hulda sie am Arm und kniff sie, dass sie aufschrie. »Was mit dieser Hure geschieht, geht dich nichts an. Verschwinde und sieh zu, dass dir die Wirtschafterin eine Arbeit aufträgt. Hier wirst du nicht mehr gebraucht.«
Marga glaubte, nicht recht zu hören. »Aber Herrin, ich dachte, ich soll Eure Wirtschafterin werden.«
»Überlass das Denken den Pferden, die haben größere Köpfe! Und jetzt tummle dich. Ich mag keine faulen Mägde!« Eine Ohrfeige begleitete diese Worte. Marga brach in Tränen aus, wagte aber keinen Widerspruch mehr, sondern schlich mit hängendem Kopf aus der Kammer. Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, drehte Frau Hulda sich zu Marie um und versetzte ihr ebenfalls eine Ohrfeige, die sie haltlos nach hinten warf.
»Ich sollte all das mit dir machen lassen, was Marga dir eben angedroht hat. Doch ich weiß eine weitaus angemessenere Strafe für dich, Hure. Eine, die dich mindestens so lange leiden lässt, wie ich für meine Töchter verachtet und gedemütigt wurde.« Mit einem letzten hasserfüllten Blick drehte sie sich um und ging.
Marie blieb mit dem kleinen Mädchen allein und fragte sich, was diese offensichtlich verrückte Frau mit ihr vorhatte.
VII.
R umold von Lauenstein hieb mit der Reitpeitsche auf den Tisch und bedachte seine Tochter mit einem finsteren Blick.
»Mir gefällt das nicht! Lass die Hure umbringen und verscharren. Dann bist du sie ein für alle Mal los.«
»Dann wäre das Weib aller Sorgen ledig. Ich aber müsste immer daran denken, wie wenig meine Rache mir gebracht hat. Nein, Vater, der Tod wäre eine zu leichte Strafe für diese Hexe.«
»Bei Gott, ich wollte, du wärst ihr auf deiner Reise nach Rheinsobern nicht begegnet.«
»Ach ja? Sollte ich etwa auf die Rache für meinen geliebten Gemahl verzichten?«
»Dein geliebter Gemahl!« Lauenstein begann schallend zu lachen. »Ich erinnere mich gut daran, wie oft du dich bei mir über Falkos Rücksichtslosigkeit und Brutalität beklagt hast. Dabei wolltest du ihn unbedingt heiraten. Ich habe dich nicht zu einer Heirat mit ihm gezwungen.«
»Falko war ein stolzer Ritter, und er wäre gewiss freundlicher zu mir gewesen, hätte ich nicht ein Mädchen nach dem anderen geboren.«
Lauenstein begriff, dass seine Tochter keine Kritik an ihrem toten Mann hören wollte, und warf seine Reitpeitsche in eine Ecke. Der Wunsch, diesem störrischen Weib einige Hiebe zu versetzen, wäre sonst zu groß geworden. »Du hättest mich fragen sollen, was du nach Falkos Tod tun sollst. Stattdessen hast du das Täuschungsspiel mit der schwangeren Magd begonnen, die dann zu Tode gekommen ist. Mir hat es damals schon nicht gepasst. Warum bist du nicht auf meinen Vorschlag eingegangen? Pfalzgraf Ludwig hätte gewiss auf mich gehört und befohlen, dass der älteste Sohn Heinrich von Hettenheims mit deiner Erstgeborenen vermählt wird, die gerade mannbar geworden ist. Damit würde unser Blut auch weiterhin in den Herren auf Hettenheimfließen. So wird der Balg eines Schankwirtssohns und einer Hure auf dem Ehrenplatz in der Stammburg dieses Geschlechts sitzen. Bei Gott, lieber hätte ich Falkos ganzen Besitz persönlich Ritter Heinrich übergeben.«
»Wirklich?«, fragte seine Tochter spöttisch. »Nimm nur die Otternburg hier als Beispiel. Sie liegt weit abseits aller wichtigen Straßen und verbindet doch zwei deiner eigenen Herrschaften miteinander. Solange die Sippe zusammenhält, ist das kein Problem. Aber Heinrich von Hettenheim ist ein Feind, den wir mit allen Kräften von unserem Land fern halten müssen. Wenn er sich mit einem deiner Gegner zusammentut, vermag er von hier aus zwei deiner Burgen zu bedrohen. Das wird Maries Balg verhindern! Außerdem
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