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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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einzigen Bankett einzuladen und dabei auch noch ganz gegen Sitte und Brauch mit Getränken zu geizen.
    Ein Rippenstoß unterbrach Andrejs Grübeln. »Unternimm etwas! Wenn Dimitris Stimmung weiterhin so schlecht bleibt, werden wir es ausbaden müssen.« Wasja Nikolajewitsch hatte allen Grund, die Verärgerung seines Herrn zu fürchten, denn er gehörte zu den bevorzugten Opfern von Dimitris rauen Scherzen und hatte auch am meisten unter den Wutausbrüchen seines Fürsten zu leiden.
    Andrej zwinkerte Wasja zu und stand auf. »Erlaube mir ein Wort, mein Fürst.«
    Als Dimitri vor zwei Jahren das Erbe seines Vaters angetreten hatte, war er gerade zwanzig gewesen, und viele der älteren Höflinge wünschten, er besäße wenigstens einen kleinen Teil derKlugheit und Besonnenheit, die Fürst Michail ausgezeichnet hatten. Stattdessen litten sie unter Dimitris unbeherrschtem Wesen, und manche fürchteten ihn so, dass sie ihn von sich aus nicht anzusprechen wagten. Andrej war nicht so feige, und das Lächeln, mit dem er den fragenden Blick seines Herrn beantwortete, strahlte Unternehmungslust aus.
    »Rede!«, befahl Dimitri ihm und runzelte dabei unwillig die Stirn.
    Sein Blick versprach dem Störenfried, das nächste Opfer seines Zornes zu werden. Andrej hatte jedoch gelernt, die Launen seines früheren Freundes mit Gleichmut zu ertragen. Bei Hofe hielt man ihn auch jetzt noch für Dimitris engsten Vertrauten, doch seit der Thronbesteigung des jungen Fürsten hatte der Standesunterschied eine Kluft zwischen ihnen aufgerissen, die Andrej deutlich zu spüren bekam. Dennoch zählte er zu jenen, die Dimitri am liebsten um sich sah, und sein Wort galt etwas, zumindest dann, wenn der Fürst bereit war, auf die Meinung eines anderen zu hören. Dafür bekam er auch die wechselnden Stimmungen seines Herrn öfter als andere am eigenen Leib zu spüren.
    Jetzt überlegte er, wie er sich aus der selbst geknüpften Schlinge befreien konnte, denn einfach nach Wein zu rufen und die Gedanken des Fürsten auf diese oder jene hübsche Magd zu lenken, erschien ihm angesichts der drohend zusammengezogenen Brauen nicht ganz das Richtige. Die Dienerinnen, die Dimitri und dessen Gemahlin Anastasia nach Pskow begleitet hatten, waren schon alle in seinem Bett gewesen, und ihm eine der Pskower Mägde anzudienen war keine so gute Idee, denn ihre Gastgeber sahen das seltsam eng. Dann aber fiel ihm ein, wie er den Zorn seines Fürsten von sich abwenden konnte.
    Er wies mit einer weit ausholenden Geste in Richtung der großen Basilika von Pskow. »Heute ist Markttag, mein Fürst. Lasst uns hinausgehen und die Waren begutachten. Vielleicht finden wirgute Schwerter oder einen Harnisch, wie ihn die Lateiner zu fertigen wissen.«
    Dimitris Mund verzerrte sich, denn seine Geldtruhe war fast leer, und Kredit gewährten ihm die Pskower Krämer keinen mehr. Die Deutschen aber, die mit diesen Schwertern und Rüstungen handelten, forderten unverschämte Preise. »Mir sind ein russisches Schwert und ein russischer Panzer lieber als von Ketzerhänden besudelte Waffen.«
    Das war nur eine Ausrede, doch Pantelej Danilowitsch, der Beichtvater des Fürsten, nickte zustimmend. »Du sprichst ein wahres Wort, Herr! Wir sind gute Russen, die die Hände von solch unreinen Dingen lassen sollten.«
    Andrejs Onkel Lawrenti, der untersetzte Schwertträger und erste Ratgeber des Fürsten, machte eine verächtliche Handbewegung. »Mir ist ein scharfes Lateinerschwert lieber als eine stumpfe russische Klinge.«
    »Gott im Himmel wird einer Russenklinge die Macht geben, jedes Ketzerschwert zu besiegen!« Pantelej schlug das Kreuz, um seine Worte zu bekräftigen, erntete jedoch von den meisten Begleitern des Fürsten ein nachsichtiges Lächeln. Sie alle waren rechtgläubige Russen und küssten voller Inbrunst die heiligen Ikonen in den Kirchen von Worosansk. Dennoch wussten sie den Wert eines guten Schwertes zu schätzen. Auch der Fürst kräuselte ein wenig die Lippen und gab Andrej damit die Gelegenheit, ihm seine Vorstellungen zu unterbreiten.
    »Es gibt auch andere Dinge auf dem Markt zu kaufen als blanken Stahl. Fleisch zum Beispiel.«
    »Soll unser erhabener Fürst das Ochsenbein für das Mittagsmahl selbst aussuchen, als wäre er ein lumpiger Koch?« Wasja schien ganz vergessen zu haben, dass er Andrej aufgefordert hatte, besänftigend auf den Fürsten einzuwirken, denn er nahm die erste Gelegenheit wahr, sich Dimitris Gunst auf Kosten seines Freundes zu sichern.
    Andrej

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