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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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wieder
einen Pinselstrich den Schaft entlang, und langsam schälte sich das Rund der
Säule heraus. Viel wichtiger für ihn schien der Kontrast der Körper zueinander.
Die Gestalt Jesu, die gerade gebunden wurde, stand im regen Gegensatz zu den
bislang nur angedeuteten und grundierten Geißlern. Allen drei Figuren gemeinsam
war eine gewisse Fülligkeit. Sie hatten wohl gelebt: Jesus ebenso wie die
Geißler. Nur dass sie sich jetzt unversöhnlich gegenüber standen. Und bereits
jetzt erkannte man die Idee: Hier wurde der menschlichen Grausamkeit die
duldsame Göttlichkeit des Erlösers gegenüber gestellt.
    Arbeitete Michele bewusst an diesem
Gemälde, weil der Johanniter das Zimmer betreten hatte? Nerinas Blick fiel auf
den ungebetenen Gast, der aufmerksam die drei Bilder fixierte, dann jedoch bei
der Geißelung innehielt.
    Einer Eingebung folgend, suchte
Nerina den Raum ab. Irgendwo musste Nero liegen und schlafen. Warum hatte der
Hund nicht angeschlagen? Warum hatte er ihr nicht angekündigt, dass ein Fremder
den Raum betrat? Sie fand Nero nicht, offenbar lag er in ihrem Zimmer. Die Tür
lehnte allerdings nur an, sodass er leicht zu rufen war.
    „Habt Ihr mich eben nicht
verstanden? Ihr stört. Macht Euch fort!“
    Mit einer flüchtigen Geste warf er
ihr einen kleinen Beutel mit Münzen zu, der Nerina an der Brust traf und zu
Boden fiel. Sie machte sich nicht die Mühe, ihn aufzuheben.
    „Ich habe gehört, dass Ihr gegen
Geld jeden zusehen lasst.“
    „Jeden, den ich den Raum betreten
lasse!“
    Der Johanniter hob eine Hand gegen
den Mund und hustete umständlich.
    „Nicht doch. Wo der Meister von
einem Fettnäpfchen ins andere tritt. Seine Kenntnis des heutigen Geschmacks ist
dürftig und führt dazu, dass er ebenso arm in die Grube fahren wird, wie er aus
dem Mutterschoß gekrochen kam. Allein die Anlage der Geißelung widerspricht
jeder gängigen Praxis und wird wie viele seiner Werke unverkäuflich bleiben.“
    Wie knurrendes Rollen drang ein
Lachen aus der Kehle des Johanniters. Ungeheuerlich fand Nerina die Art, wie
der ungebetene Gast hier über Micheles Bildanlage herzog.
    „Warum schleicht Ihr hinter ihm her
und versucht ihn zur Raserei zu bringen?“
    Je mutiger sie wurde, umso fester
umfasste sie den Knauf des Degens, den sie hinter ihrem Rücken verbarg.
    „Vergebliche Liebesmüh, Nerina“,
mischte sich jetzt Michele wieder ein, der zwei Schritte zurückgetreten war, um
die Grundierung der Körper seiner Geißelung zu begutachten. „Ihm fehlt das
Gefühl für die Beurteilung von Gemälden. Sein Kopf ist zu eng dafür. Wie soll
er erkennen, dass die Emotion mein Thema ist, dass das Licht die Emotion
verstärkt oder abschwächt. Wer voller Hass ist, dem bleiben die Nuancen, die
Feinheiten im Seelenkostüm des Menschen unbekannt.“
    „Ein Kenner spricht!“
    Im selben Augenblick klatschte dem
Johanniter die Palette ins Gesicht und zeichnete ihn mit erdigen Farben. Nerina
hätte beinahe gelacht, als sie sah, wie genau Michele den Farbton menschlicher
Haut getroffen hatte, weil sich einzelne Spritzer nicht von der Haut des
ungebetenen Gastes unterschieden. Unwillkürlich griff der Johanniter an seinen
Degen, aber da hatte Nerina bereits Micheles Waffe hinter ihrem Körper
hervorgeholt und auf die Brust des Johanniters gerichtet.
    „Hebt Euch hinfort. Ich sagte es
bereits! Und lasst Euch nicht mehr hier blicken.“
    Aus dem Gesicht des Johanniters
blitzte eine tiefe Verletzung, und Nerina störte sich an der heftigen Art, wie
Michele reagiert hatte. Aber sie konnte es nicht mehr rückgängig machen.
Langsam drängte sie den Johanniter aus dem Zimmer. Aus dem Augenwinkel heraus
sah sie, wie Michele bereits die Farbpalette aufhob und sich wieder auf seine
Geißelung konzentrierte.
    „Warum könnt Ihr ihn nicht in Ruhe
lassen? Was hat er Euch getan?“
    Im mehrfarbigen Gesicht des
Johanniters zuckte es, als er sich umdrehte, um das Atelier zu verlassen. Dabei
trat er nahe an sie heran und starrte auf ihre Brust und auf das Amulett dort.
    „Fragt ihn! Seine Schuld ist
untilgbar!“
20.
    Selbst in der Gasse unten herrschte
eine lastende Stille. Kaum gelang es der kühlen Meeresbrise, die drückende
Tageshitze zu vertreiben. Nerina lag wach, lauschte hinaus in die Nacht und
wälzte sich in ihrem dünnen Laken hin und her.
    Die letzten Tage hatten sie verwirrt
und verunsichert. Neapel war offenbar doch nicht die Zuflucht, die sie beide
erhofft hatten. Neben dem Johanniter drohte Michele eine weitere

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