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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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natürlich.“
    Dieselbe Formulierung hatte Enrico
bereits einmal gehört. Natürlich. Julia hatte ihm davon erzählt. Ein
Unberührbarer. Damals hatte er den Begriff nicht für so wichtig gehalten, dass
er nachgefragt hätte. Jetzt durfte er keine Ungereimtheiten zurücklassen.
    „Was ist das, ein Unberührbarer?“
    „Hatte ich schon gesagt. Eines
Mannes Fleisch ist eines anderen Mannes Gift. So einfach. Der Prete Rosso
gehörte mit zum Klientel Del Montes. Außerdem war er Micheles Bruder.“
    Der Prete Rosso, niemand anderer
als Micheles Bruder, stand im Verdacht Männer zu lieben. Hatte sich der Streit
daran entzündet? Hatte Michele es sich nicht zugestehen wollen, dass sein
eigener Bruder dem Laster Del Montes verfallen war? Dem Fluch? Langsam begann
er, die Zusammenhänge zu begreifen.
    „Was hatte es für Konsequenzen, dass
Michele die Dienste Del Montes quittierte?“
    Bitteres Lachen antwortete seiner
Frage.
    „Seht Ihr es nicht, Messer Enrico?
Statt Kapellen auszumalen und Tafelbilder anzufertigen, male ich kleine
Porträts und Landschaftsbilder. Ich verkaufe sie den Fremden, die Rom besuchen.
Eine Stunde hinein in die Stadt, eine weitere zurück. Dabei kann ich mich
glücklich schätzen, dass ich noch lebe.“
19.
    „Schließ die Vorhänge!“
    Mit Besorgnis sah Nerina, dass sich
unter Micheles Augen schwarze Ränder gebildet hatten, die dem Gesicht das Aussehen
gaben, als fielen die Augäpfel nach innen. Micheles Gesicht blühte rot in einem
Ausschlag, der sich seit dem letzten Abend ausbreitete. Vermutlich vertrug er
eines der Farbpigmente nicht.
    „Lass aus, Michele, leg die Pinsel
weg. Du wirst zu fahrig.“
    „Pah. Zu fahrig!“ Kaum verstand
Nerina, was er sagte, weil er zwei Pinsel im Mund hielt und einen dritten in
der Hand und mit allen in rascher Folge abwechselte. „Ich male, wenn ich zittre,
immer noch besser, als manch anderer mit ruhiger Hand.“
    Michele malte mit dem Hunger um die
Wette. Wenn er eines der Bilder rechtzeitig oder vielleicht einige Tage früher
als geplant fertigstellte, konnten sie auf eine zusätzliche Entlohnung hoffen –
und die hätte die drückendsten Geldsorgen zumindest gemildert. Der Bäcker und
die Gemüsehändlerin, die beide Kredit gewährten, murrten bereits, wenn sie mit
ihrem Korb auftauchte und um die Stundung der Zahlung bat.
    Sie machte sich um Michele Sorgen.
Seitdem ihnen die letzten Scudi von den Pozzari gestohlen worden waren, arbeitete
er wie ein Besessener. Nichts um ihn her schien mehr wichtig, nichts hielt ihn
davon ab, seine Bilder zu vervollkommnen und fertigzustellen.
    Zuerst sahen seine Schüler noch
vorbei, wollten etwas lernen, von ihm unterrichtet werden. Aber selbst sie gaben
auf, weil Michele auf keine Frage mehr antwortete, keinen Ratschlag annahm oder
Hinweise auf seine Technik machte. Zuletzt saßen sie stumm um ihren Meister
herum und folgten einfach seiner Pinselführung.
    Nerina kam erst auf die Idee, fürs
Zusehen Geld zu verlangen, als ihr so hörbar der Magen knurrte, dass sich
einige von Micheles Schülern nach ihr umdrehten. Seither musste jeder, der den
Besessenen sehen wollte, einen kleinen Beitrag leisten. Nerina verlangte nur
einige Münzen, mit denen sie dann einkaufen gehen konnte. Für Michele brachte
sie Wein.
    Dann aber blieben seine Schüler
einfach weg. Zu langweilig, zu teuer, zu nichtssagend waren diese stummen
Stunden.
    Nur noch einige Korrekturen
benötigten die Sieben Werke der Barmherzigkeit. In einer gewaltigen Anstrengung
hatte Michele seine Vorstellungskraft in einer Art und Weise gebündelt, wie sie
von Nerina noch nie zuvor gesehen worden war. Dabei reduzierte Michele die
Werke auf weltliches Eingreifen, sprach ihnen jeglichen göttlichen Ursprung ab.
Dort zeigte sich der Mensch als des Menschen Stütze. Jakobus dem Älteren wurde
als Pilger durch einen Mann der Weg zur Herberge gewiesen. Vor ihm kniete ein
namenloser Bettler, der einen Teil des Mantels Martin von Tours erhielt und so
bekleidet wurde. Ein Toter wurde ins Bild getragen, begleitet von einem
Priester, und Pero stillte, als Caritas Romana, ihren Vater Cimon durch das
Gefängnisgitter hindurch, tränkte ihn so und half ihm zu überleben. Nur die aus
dem Alten Testament stammende Figur des Samson trank gierig aus einem
Eselskinnbacken, aus dem ihm der Herr eine Quelle entspringen ließ. Ihm als
Einzigem vergönnte Michele das Wunder des göttlichen Eingreifens in die Welt.
Nerina fragte sich, warum er auf seinem sonst so profan

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