Das Vermaechtnis des Caravaggio
Scipione Borghese sah ihr nach. Sie watschelt wie eine
Ente, dachte er. Wie kann man sich an einem solchen Hintern erfreuen?
„Habt Ihr verstanden, was sie
sagte?“
Hinter einem Paravent, der ganz in
der Nähe des Sessels einen Teil der Wand verbarg, trat ein junger Mann hervor,
dessen Kardinalspurpur so neu glänzte, als wäre er erst frisch eingeweiht
worden. Sein Gesicht entsprach nicht dem ehrwürdigen Blick, den Kardinäle sonst
würdevoll vor sich hertrugen, es zeigte jugendliches Feuer und einen scharfen
Geist, wenn auch letztere Eigenschaft erst beim zweiten Hinsehen hinter dem
etwas hochmütig blasierten Blick erkennbar war.
„Eure Quelle der Erheiterung und
Erbauung scheint gefährdet!“
„Mehr als das. Mein Oheim spielt
ein doppeltes Spiel. Seine Heiligkeit entblödet sich nicht, gezinkte Karten zu
verwenden.“
Im Gesicht Ferdinando Gonzagas, der
sich im Kardinalspurpur noch nicht recht wohlzufühlen schien, verzog sich keine
Miene. Beständig hoben und senkten sich seine Schultern, als müsse er die
Kleidung erst noch zurechtrücken.
„Ich danke Euch für Euren
Vertrauensbeweis und hoffe, der italienischen Fraktion ebenso zuverlässig
dienen zu können.“
Ferdinando Gonzaga senkte leicht
sein Haupt, während Scipione Borghese nicht recht wusste, ob er dies als eine
Geste der Unterwürfigkeit oder des Spotts deuten sollte. Noch durchschaute er
den Herzogssohn aus Mantua nicht recht. Ein Gefühl sagte ihm jedoch, dass er
auf der richtigen Seite stand – und auf seine Gefühle hatte er sich bislang
verlassen können.
„Es gilt für uns, möglichst schnell
bei meinem Oheim eine Begnadigung Caravaggios in die Wege zu leiten, mein
lieber Ferdinando.“
„Wie wollt Ihr das erreichen? Wer
einen Mörder dingt, der begnadigt nur ungern.“
„Oder gerade deshalb gerne.
Schließlich weiß er, dass der Begnadigte nicht mehr lange zu leben hat. Damit
wären zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Fraktion der Befürworter
ist zufriedengestellt, weil der Dispens gewährt wurde, die Fraktion der Gegner
ebenfalls, weil der Begnadigte nicht mehr lebt.“
Ferdinando Gonzaga nickte beinahe
unsichtbar.
„Folglich muss man dem Papst die
Begnadigung schmackhaft und gleichzeitig den Mörder, der zu Caravaggio unterwegs
ist, unschädlich machen.“
Die bedächtige, sichere Art, mit
der er sich an Probleme heran dachte, machte ihn Scipione Borghese sympathisch
und erfüllte ihn etwas mit Scheu. Was anfänglich tölpelhaft langsam erschien,
war nur das Ergebnis gründlicher und treffender Prüfungen. Sein Urteil erlangte
dadurch eine Sicherheit, die an Unfehlbarkeit grenzte. Er hätte dem Papst gern
dieses Vermögen gewünscht.
„Wer wurde beauftragt?“
Mit einer Unschuldsmiene trug
Ferdinando Gonzaga diese Frage vor, aber Scipione Borghese ahnte, dass der
frisch ernannte Kardinal sehr viel mehr wusste, als er zugab. Sein Spitzel,
dieser Sekretär Enrico, hatte sich in Neapel getummelt, war zurückgekehrt, um
die Ernennung seines Herrn zu feiern, und dann nach Mailand weitergezogen.
Freiwillig unternahm er diese Fahrten nicht. Ferdinando Gonzaga musste mehr
über Caravaggio und seine Probleme erfahren haben, als er zugab.
„Ich dachte, Ihr könntet mir etwas
darüber erzählen. Hatte nicht Euer Sekretär Enrico Kontakt zu Caravaggio?“
Es war ein Pfeil, abgeschossen, um
das Wild aufzuschrecken, aber er schien seine Wirkung zu verfehlen. Kein Muskel
in Ferdinando Gonzagas Gesicht bewegte sich, kein Arm zuckte, kein Kopf ruckte.
Ein Muster an Beherrschung stand Scipione Borghese gegenüber, und dies machte
ihm etwas Angst. Diese Eigenschaften würden ihn bis zur Amtsmitra des Papstes
führen, wenn ihn nicht zuvor Neid und Missgunst unter den Kardinälen verschliss
oder das Geschlecht der Gonzaga ausstarb und ihn auf den Herzogsstuhl
zurückrief. Aber gerade daran war wohl nicht zu denken, schließlich besaß
dieser Gonzaga die Schlauheit eines Fuchses, und eine Reihe von Brüdern erbte
vor ihm.
„Er sei nach Malta geflohen, hat
mir Enrico berichtet. Nach La Valletta, der Hauptburg der Johanniter. Was er
sich davon verspricht, wusste Enrico auch nicht zu sagen, aber er ist vor den
Nachstellungen eines Johanniters geflohen. Warum ihm dieser nachsetzt, wissen
wir nicht. Der Johanniter war jedoch in sein Atelier eingedrungen und hatte ein
Bild zerstört, eine Enthauptung des Johannes. Warum auch immer.“
Die Offenheit, mit der der junge
Gonzaga sein Wissen preisgab, erstaunte Scipione Borghese.
Weitere Kostenlose Bücher