Das Vermaechtnis des Caravaggio
Sicher wollte er ihn
damit von einer anderen Spur ablenken. Womöglich verbarg er etwas, indem er
ihm einen Brocken hinwarf, der ihm unbekannt gewesen war. So ganz traute er
dieser Offenheit nicht. Sein Informant, Pater Leonardus, hatte Ähnliches
geschrieben, nur von der Flucht nach Malta noch nichts gewusst. Aber auch in
seinen Berichten spukte dieser Malteser Falke herum. Allein eine Verbindung zu
seinem Oheim konnte er sich nicht vorstellen. Nirgends tauchte eine Gestalt
dieser Art auf – und für heimliche Kontakte anderer Art besaß der Vatikan zu
hellhörige Wände.
„Wollte Euer Informant, Pater
Leonardus, nicht ein Bild in Auftrag geben? Wäre es nicht möglich, dass ihm der
gedungene Mörder über den Weg gelaufen ist?“
Ehrlich verblüfft sah Scipione
Borghese den frisch gebackenen Kardinal an. Woher wusste Ferdinando Gonzaga, dass
Pater Leonardus in seinen Diensten stand? Dass er Bilder aufkaufen sollte?
„Eure Eminenz“, fuhr Ferdinando
Gonzaga offensichtlich ungerührt fort, „ich wollte Euch keinen Schrecken
einjagen, sondern nur Ehrlichkeit beweisen.“ Dabei huschte der Anflug eines
Lächelns über seine Lippen, und er schlug die Augen nieder. „Enrico fand
heraus, dass Ihr dem Maler auf die neapolitanische Bank von Sant’Eligio Geld
überwiesen habt, heimlich, damit er weiterarbeiten, damit er seine Bilder
fertigstellen kann. Aber dieser Michelangelo Merisi hält sich offenbar an
keinerlei Vereinbarung. Er ist ein Freigeist, der sich nicht kaufen lässt.
Daher ist das Geld bislang nicht in Bilder für Euch umgesetzt worden.“
Die Erkenntnis schlug bei Scipione
ein wie ein Blitz und versengte beinahe seine Gedanken.
Mit der Hand fasste er nach der
Lehne des Sessels, in dem zuvor Romina Tripepi gesessen hatte. Er hatte diesen
Ferdinando Gonzaga hoffnungslos unterschätzt und obendrein unvorsichtigerweise
mit einem Titel ausgestattet, der ihm die Verfolgung einer Karriere erlaubte,
die weit über das hinausging, was einem Spätgeborenen des Adels sonst offen
stand. Langsam setzte er sich und stützte die Stirn in seine Hand. Er war ein
Hornochse und hatte einen Fehler begangen. Aber gerade jetzt konnte er auf den
Herzogssohn aus Mantua nicht mehr verzichten.
„Wenn wir auch noch nicht genau
wissen, wer ihn ermorden will, sollten wir doch eingreifen. Ihr solltet dem
Großmeister der Malteser, Alof de Wignacourt, ein Schreiben schicken, in dem
Ihr ihm Caravaggio ans Herz legt. Ich glaube nicht, dass Malta der Ort ist, an
dem sein Mörder zuschlagen wird, aber man muss vorsichtig sein.“
Die Stimme Ferdinando Gonzagas
klang klar und analytisch.
„Ihr habt recht.“ Seine Stimme
hörte sich dagegen stumpf und farblos an. „Hoffen wir, dass Euch Eure Informationen
nicht trügen!“
Ferdinando Gonzaga antwortete
nichts darauf.
„Danke, Eminenz“, sagte Scipione
Borghese nur und winkte mit der Hand, „ich werde Euch rufen lassen, wenn ich
das Schreiben ausgefertigt habe. Die Unterschrift zweier vatikanischer Würdenträger
wird ihm mehr Gewicht verleihen.“
Mit leicht federnden Schritten
querte Ferdinando Gonzaga den Raum, nicht ohne zuvor eine Verbeugung angedeutet
zu haben. Selbst auf dem Marmor des Bodens blieben seine Schritte unhörbar.
Beinahe an der Tür angekommen, drehte er sich jedoch noch einmal um.
„Eminenz!“
Überrascht hob Scipione Borghese
den Kopf.
„Ihr habt etwas nachzutragen?“
„Nur eine Kleinigkeit. Seid
vorsichtig mit Pater Leonardus. Auch wenn seine Beweggründe nur die eines armen
Geistlichen sind, der sich eine Pfründe sichern möchte, will ich doch zu
bedenken geben, dass er in Wirklichkeit Giovan Battista Merisi heißt und der
jüngere Bruder Michelangelo Merisis ist. Die Brüder stehen miteinander nicht
auf gutem Fuß.“
Scipione Borghese erstarrte. All
das erschien ihm beinahe unmöglich. Woher bezog dieser Mantuaner nur seine
Informationen?
„Woher wisst Ihr das alles?“
Beinahe sprachlos folgte Scipione
Borghese den Ausführungen, während er sich setzte und immer tiefer in seinen
Sessel sank. Dabei hatte er die ganze Zeit über geglaubt, die Dinge in der Hand
zu halten. Jetzt musste er feststellen, dass andere, wie dieser Ferdinando aus
dem Geschlecht der Gonzagas, weit besser informiert waren, als er selbst. Was
versprach er sich davon, ihm das alles jetzt zu erzählen?
„Enrico ist nicht mit Gold
aufzuwiegen.“ Spöttisch ließ er diese Bemerkung fallen. Es war eine Spitze.
Scipione Borghese fühlte den Stachel ins Fleisch
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