Das Vermaechtnis des Caravaggio
sperren!“
Scipione Borghese beobachtete
Ferdinando Gonzaga, der seine Forderung in ein sanftes Lächeln verpackte. Man
konnte nicht anders, man musste diesem Heißsporn solche Ausfälle verzeihen, und
sein Oheim schien ähnlich zu denken, denn obwohl er die Stirn kraus zog,
schüttelte er letztlich den Kopf und schmunzelte in sich hinein. In diesen
Momenten besaß er tatsächlich die Ausstrahlung des gütigen, väterlichen
Papstes, die ihm angedichtet wurde.
„Ihr seid in den Farbenkleckser zu
sehr vernarrt. Allein die politischen Verwicklungen, die sich aus dem Umstand
ergeben würden, dass ich ihn aus dem Kerker Sant’Angelos per Dekret holen
lassen müsste ...“
Mit einem Seidentuch wischte sich
der Papst über die Stirn, auf der kleine Wassertropfen schimmerten.
Nachdenklich betrachtete er die feuchten Flecken auf dem Tuch, als wollte er
aus deren Mustern die Zukunft deuten.
Sie saßen im Hof des Pinienzapfens,
der noch vor hundert Jahren von Bramante angelegt worden war, auf schweren
Stühlen, die man für sie nach draußen getragen hatte. In ihrer Nähe sprudelte
ein Brunnen. So vermochte niemand ihr Gespräch zu belauschen. Zudem schickte er
zumindest einen Hauch von Kühlung zu ihnen herüber. Gern wäre Scipione Borghese
jetzt unter einem der mächtigen, sprühenden Brunnen der Innenstadt gestanden
und hätte sich vom Nebel der Kaskaden benetzen lassen. Hier, im Innenhof des
Vatikanpalastes, lag die Luft, als hätte man sie wie schweren Wein in eine
Karaffe gegossen. Sogar die Bronze des Pinienzapfens, die beherrschend in einer
Nische des Gartens stand, zu der eine Doppeltreppe aus der Hand Michelangelo Buonarottis
emporführte, schien zu glühen und strahlte Wärme ab.
Er war nicht glücklich über dieses
Treffen, aber er konnte sich ihm nicht entziehen, zumal es Caravaggios wegen
einberufen worden war. Erstaunt hatte ihn die Runde, die auf seinen jungen
Kollegen, auf Ferdinando Gonzaga, zurückging. Seiner treibenden Kraft verdankte
sie ihre Zusammensetzung. Er hatte sie alle an einen Tisch gezwungen. Wie ihm
das gelungen war, blieb sein Geheimnis. Ihm gegenüber saß Kardinal Del Monte.
Dessen Position, dessen Interesse an Caravaggios Rückkehr erschien Scipione
Borghese nicht geheuer. Ferdinando Gonzaga hatte bei Del Monte vorgesprochen,
ihn um Hilfe gebeten, ihn in die Runde eingeladen – und er hatte sich als
Streiter auf ihrer Seite erwiesen. So weit, so gut. Del Monte hatte Caravaggio
gefördert, aber dieser hatte ihm die Unterstützung nicht gedankt. Und der
Kardinal galt als nachtragend, als Mensch mit weit zurückreichendem Gedächtnis,
der alles vergalt. Sein Interesse an Caravaggio musste also nicht unbedingt ein
freundliches sein.
Rosen blühten in dem sonst kargen
Gartenviertel, das rundum von den hohen Mauern der Wohngebäude und der Kirche
begrenzt wurde, in einer tiefroten Farbe, die an die Blutstropfen des Herrn
gemahnte. In der trägen Hitze überlegte er, ob es erfrischend wäre, die samtene
Oberfläche der Blütenblätter zu berühren.
Die Stimme seines Onkels riss ihn
aus seinen Gedanken.
„Allein die Komplikationen mit
Spanien! Schließlich weilte und arbeitete er in Neapel.“
„Mittlerweile sitzt er in Sant’Angelo
ein. Und das liegt auf Malta. Also dürften sich mit den Spaniern keinerlei
Spannungen ergeben. Zumal die Malteser an die Weisungen ihres kirchlichen
Oberhauptes gebunden sind.“
Leise aber bestimmt formulierte
Ferdinando Gonzaga diesen Gedanken, und Scipione Borghese sah, wie sich sein
Onkel wand und auf seinem Sessel hin und her rutschte.
„Hier in Rom könnte man ihn und
seine Exzesse kontrollieren.“
Kardinal Del Monte warf diesen Satz
ein. Einen Lidschlag lang blickten sich die beiden Männer, Del Monte und sein
Oheim, in die Augen. Hatte Scipione Borghese dabei ein Aufblitzen bemerkt?
Nichts in den Gesichtern regte sich mehr, nichts deutete darauf hin, dass Del
Monte nicht auf ihrer Seite stand, sondern die Ansichten seines Oheims vertrat.
Scipione Borghese, der wachsam war, seit sie zu diesem Gespräch
zusammengekommen waren, und der dem Gespräch bislang nur gelauscht hatte, griff
nach dem Glas Wein neben sich. Der Weiße funkelte unter der unerbittlichen
Lichtflut der hochstehenden Sonne wie flüssiges Gold.
„Warum lassen wir ihn nicht sich
frei entwickeln?“
Jetzt fuhr sein Oheim auf.
„Weil er sich gegen uns stellt!
Seine Bilder verletzen die kirchliche Lehrmeinung, für die ich stehe und
eintrete. Alle seine Heiligen und seine
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