Das Vermaechtnis des Caravaggio
unerkannt unterzutauchen.“
Befriedigt nickte Del Monte und
versuchte, ein Schmunzeln zu unterdrücken. Aus den Augenwinkeln heraus
beobachtete Scipione Borghese ihn und empfand selbst eine innere Zufriedenheit,
wenn er daran dachte, dass er nur noch wenige Augenblick davon entfernt war,
dem Kardinal die Seelenruhe zu rauben. Was Del Monte nämlich nicht wusste, war,
dass die Flucht zwar von Pater Leonardus eingefädelt und organisiert worden
war, dass dieser aber an der Flucht selbst keinen Anteil mehr hatte. Caravaggio
hatte auf seine weitere Hilfe verzichtet, wohl aus dem Grund, weil er dem Pater
zutiefst misstraute.
„Wir wissen nicht, welchen
Fluchtweg er genommen hat, werter Kardinal“, ergänzte Scipione Borghese und
lächelte seinen Oheim und den Kardinal offen an. „Mein Informant hat seine Spur
verloren.“
Kardinal Del Monte hielt es nicht
mehr in seinem Stuhl. Heftig sprang er auf und stieß dabei beinahe das kleine
Tablett um, das in ihrer Mitte auf einem Tischchen stand und Gläser und
Karaffen aufnahm.
Mit Aufmerksamkeit verfolgte
Scipione Borghese, wie Del Monte auf und ab ging, blass und etwas verschreckt. Er
lag also mit seiner Vermutung richtig, der Kardinal sei in die Befreiung Caravaggios
verstrickt. Jetzt blieb nur noch die Frage: Was stand hinter dieser Planung?
In seine Überlegungen hinein
vernahm er die Stimme Del Montes, unerwartet ruhig und sachlich.
„Was der Kurie am meisten schaden
würde, ist die Tatsache, dass ein Misserfolg von Caravaggios Flucht mit ihrem
Namen in Verbindung gebracht würde. Das darf nicht geschehen.“
Zu seinem Oheim gewandt meinte er,
es sei jetzt ein Gebot der Stunde, dem Maler die Pforten Roms wieder zu öffnen.
Erneut übernahm das Plätschern des
Brunnens die Aufgabe, das Schweigen zu füllen, bis Scipione Borgheses Oheim den
Blick von Kardinal Del Monte nahm, tief aufseufzte und nachgab. Er räusperte
sich und meinte:
„Es wird einen Dispens geben!“
17.
„Ich mache mir Sorgen um ihn.“
Nerina mochte Mario Minniti, der
das sagte, mochte den etwas behäbigen, zur Dickleibigkeit neigenden Maler, in
dessen Haus sie Zuflucht gefunden hatten. Alte Oliven umgaben das Gebäude im
nordwestlichen Stadtviertel, Kakteen zeigten ihre roten Früchte, der Duft von
Zitronen füllte den Raum zwischen den Bäumen. Von der Höhe der nahegelegenen
Latomien aus, den Steinbrüchen der Antike, sahen sie hinunter auf Insel, Stadt
und Haus. Minniti redete langsam und ruhig, mit einer hohen Stimme, die man dem
massigen Körper nicht zutraute. Man sah ihm das Wohlleben an, das er führte,
seit er auf Sizilien und vor allem in seiner Heimatstadt Syrakus zu den Besten
seiner Zunft gezählt wurde – jedenfalls behauptete er dies, und seine Art zu
leben ließ keinen anderen Schluss zu.
„Michele ist immer noch auf der
Flucht.“
Nerina las es aus dem Blick, den
Michele fortwährend über die Schulter warf, wenn sie durch die Stadt streiften
oder die Umgebung der Stadt Syrakus erkundeten, aus den dunklen Ringen um seinen
Augen, den gepressten Lippen, den Schreien, mit denen er nachts auffuhr,
trotzdem sie in Sicherheit lebten. Syrakus, die Stadt mit ihrem antiken Atem
und dem Charme eines Fischerdorfes, die Stadt auf der Wachtelinsel, gewährte
ihnen Asyl.
„Ihn treibt eine Unruhe, die ihn
krank macht. Kaum dass er ruhig sitzen kann. Fortwährend ist er in Bewegung.
Und seine Augen, weiß, wie die eines gehetzten Ebers. Nur über der Leinwand
scheint er sich zu vergessen.“
Recht hatte Minniti. Die ersten
beiden Wochen war Michele noch vor Sonnenaufgang in Richtung Hafen gelaufen und
hatte die maltesische Galeere beobachtet, die dort vor Anker lag, die
Rudersklaven an Bord angekettet, damit sie jederzeit auslaufen konnte. Über die
Stadt ausgeschwärmt die Ordensritter. Von ihrem Gastgeber hatten sie erfahren, dass
die Malteser nicht nach Caravaggio suchten, offiziell jedenfalls, und doch
jeden Winkel der Stadt durchstöberten. Michele musste sich dennoch dieser
Gefahr aussetzen, wollte die Galeere, deren Rumpf schwarz im Wasser glänzte,
jeden Morgen betrachten, als ziehe ihn dieses Bild von Unterdrückung und Tod
magisch an und schütze ihn gleichzeitig vor Entdeckung.
Nerina blickte auf die
meerabgewandten Hügel, die Michele gerade auf und ab lief, die braun gedörrte
Wiese empor, dann wieder bergab, wieder empor, bis er sich erschöpft fallen
ließ, die Arme ausbreitete, dalag und in die Sonne blickte.
„Als treibe ihn ein Dämon!“
„Oder die
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