Das Vermaechtnis des Caravaggio
Papst weder einen Ketzer in seinen eigenen Reihen dulden, noch ein
Auseinanderbrechen der italienischen Fraktion riskieren.
Mit Interesse folgte Scipione
Borghese den weiteren Verlauf. Ihn interessierte, wie sich sein Oheim aus der
Schlinge ziehen würde. Ihm zu helfen widersprach sein eigener Ehrenkodex.
Schließlich ging ihn dieses Gespräch nichts mehr an. Schließlich war es ihm
verboten worden, Kontakt zu Caravaggio zu halten.
Zudem verfügte er über eine
Nachricht, deren Eröffnung eines ausgewählten Zeitpunktes bedurfte. Wie die
Granate aus einem Mörser musste sie unter die Gruppe fahren und sie
verunsichern. Nur dann gelänge es ihm, die wahren Gesichter hinter den Masken
zu entdecken. Heute früh erst war im Hafen von Ostia eine maltesische Galeere
angelangt, die ihm eine bedrückende Botschaft gebracht hatte.
„Ihr habt Euch bislang
zurückgehalten, Kardinal Borghese“, verscheuchte die Stimme Del Montes seine
Gedanken. Scipione Borghese sah hoch und begegnete dem scharfen Blick des
Kardinals. „Sicherlich seid Ihr in der Lage, etwas zu unserem Problem
beizutragen.“
Ruhig, ohne sich die Überraschung
der Ansprache anmerken zu lassen, antwortete er:
„Sollten wir nicht Caravaggios
Willen respektieren und ihn nach Rom holen? Seit Langem bemüht er sich um einen
Dispens. Rom zieht ihn magisch an, obwohl er in Neapel ebenso wie auf Malta von
Erfolg zu Erfolg schreitet. Sein Name schwingt wie ein Glockenruf durch die
italienischen Lande – nur Rom verabscheut es, ihn gnädig aufzunehmen. Erinnern
wir uns, welche Nachteile die Auseinandersetzung zwischen dem Künstlergenie
Michelangelo und Papst Julius II. für das Papsttum gebracht hat. Noch heute
wird der Name dieses Oberhaupts der Kirche verspottet, weil er einem Genie
nicht gewachsen war. Ich befürchte eine ähnliche Entwicklung, wenn unsere
Haltung gegenüber Caravaggio ebenso starr und unerbittlich bleibt.
Diplomatische Verwicklungen hin oder her. Schlimmer können sie nicht kommen.“
Bei den letzten Worten senkte
Scipione Borghese demütig die Augen. Damit griff er seinen Oheim direkt an, und
der wusste es. Ein beinahe greifbares Schweigen beherrschte die Runde, in die
das Rauschen des Brunnens wie das Grollen eines herannahenden Gewitters
einbrach.
„Die Kurie darf keinem Zwang nachgeben,
sonst verliert sie ihre diplomatische Handlungsfreiheit.“
Leise, beinahe unhörbar klang die
Stimme Papst Paul V. Zuerst glaubte Scipione Borghese, er habe nur zu ihm
selbst gesprochen, aber als er hochsah, erkannte er, dass alle Gesichter
betreten blickten, als habe er mit seiner Rede an den Grundfesten der Mutter
Kirche gerüttelt. Jetzt fand er den Zeitpunkt günstig, jetzt würde er sein
Feuerwerk zünden.
„Wir haben unsere Handlungsfreiheit
längst verloren, Eure Heiligkeit, meine Herren Kardinäle. Caravaggio ist uns
längst einen Schritt voraus. Heute Morgen erhielt ich eine Nachricht aus Malta.
Derzeit ist unser Stern Italiens unauffindbar!“
Befriedigt genoss er, wie die Runde
erstarrte, den Bruchteil eines Lidschlages nur, dann hatten sie sich wieder in
der Gewalt. Trotzdem bemerkte Scipione Borghese, wie sich sein Oheim und
Kardinal Del Monte kurz anblickten, als huschte eine geheime Nachricht mit der
Geschwindigkeit des Lichts von Auge zu Auge, während Ferdinando Gonzaga
betroffen wirkte, als fiele sein gesamter Plan, den er mühsam erarbeitet und
vorbereitet hatte, mit dieser Mitteilung in sich zusammen.
„Unsere letzte Meldung besagte, er
sei auf der Festung Sant’Angelo eingekerkert worden!“, warf sein Oheim
dazwischen. Seine Stimme zitterte leicht.
„Heute Morgen kam ein Brief aus La
Valletta. In ihm heißt es, er sei aus der Festung geflohen, was vor ihm noch
keinem gelungen ist.“
„Dann ist Verrat im Spiel.“
Auch in Del Montes Stimme schwebte
eine Art Zittern mit, aber es klang eher wie ein Triumph, wie die Gewissheit, dass
etwas seinen vorgegebenen Gang ging.
„Er ist nicht durchs Tor hinaus
spaziert, mein lieber Del Monte, er hat sich wahrscheinlich abgeseilt.“
„Ein Bubenstreich ... hat man seine
Leiche gefunden?“
„Nicht doch. Seine Leiche wurde
nicht gefunden, folglich ist es ihm gelungen. Wenn er nicht auf der Insel
geblieben ist, was unwahrscheinlich wäre, wird er nach Sizilien geflohen sein.
Der einzig sinnvolle Schachzug. Ich hätte mich dort in Syrakus versteckt. Es
gehört zu Spanien, und die Spanier haben ihn schon einmal aufgenommen, außerdem
ist es groß genug, um
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