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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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so malen, Michele?
Du weißt, dass sie dir das Bild wieder vom Altar reißen werden. Die spanische
Fraktion der Kardinäle mag deine Art zu malen nicht – und sie sind mächtig
genug, dir das Leben zur Hölle zu machen. Mal Gefälliges, Michele, jedenfalls
solange du auf dem Weg nach oben bist. Dann kannst du meinetwegen
eigenständigen Entwürfen folgen.“
    Michele sah sie an mit einem Blick,
der durch sie hindurchging. Dann hob er die Palette, zog aus dem Holzkasten
seine Farben und begann die Dosen zu öffnen und Pigmente auf die Palette zu
schütten. Er tropfte Leinöl und Eiweiß darauf und mischte.
    Bevor er mit dem Pinsel den ersten
Strich auf die Vorzeichnung setzte, sah er Nerina noch einmal an.
    „Es muss ihnen nicht gefallen,
Nerina! Ich verfolge ein anderes Ziel ...“
9.
    „Ich muss wissen, was dieser
Borghese plant!“, lautete der Auftrag Ferdinando Gonzagas an ihn, Enrico.
Deshalb stand er hier und redete auf ein Mädchen ein, das einige Jahre jünger
war als er selbst und Julia hieß.
    „Signore. Ich darf nicht mit
Wildfremden reden!“, lautete die eindeutige Antwort Julias.
    Beschwichtigend hob Enrico die
Hände und stellte sich ihr wieder in den Weg. Sein Glück war, dass sie sich in
Richtung Marsfeld bewegte und nicht zum Tiberufer hinunterlief. Hier waren die
Gassen enger, und die Passanten belächelten seine Bemühungen um das hübsche
Mädchen. Manche riefen ihm sogar aufmunternde Bemerkungen zu.
    „Wir sind doch nicht wildfremd. Ich
habe dich bei meinem letzten Besuch gesehen. Du hast eine Platte mit
Hühnchenschenkeln aufgetragen. Und da dachte ich mir ...“
    „... horch sie ruhig aus! Aber
nicht mit mir.“
    Sie drängte sich an ihm vorbei, und
Enrico musste all seine Geschicklichkeit aufbieten, damit sie ihm nicht
davonlief. Wieder stellte er sich ihr in den Weg. Wenn er es sich recht
überlegte, gefiel ihm ihr Gesicht, das aussah, als hätte es der venezianische
Maler Lorenzo Lotto mit seinen lichten Farben gemalt.
    „Das darfst du gar nicht denken,
Julia. Bleib doch wenigstens stehen, oder hast du bereits jemanden, der dir den
Hof macht?“
    Enrico konnte erkennen, dass Julia
rot wurde. Tatsächlich blieb sie jetzt stehen und schüttelte den Kopf.
    „Wo denkt Ihr hin.“
    „Aber dann ... darf ich doch
wenigstens mit dir reden!“
    Jetzt sah sie ihn an, und er konnte
in ihren Augen tatsächlich Freude darüber erkennen, dass er hartnäckig geblieben
war. Vielleicht hatte ihn sein erster Blick damals nicht getäuscht und sie
hatte ihn tatsächlich ebenso gemustert, wie er sie. Trotzdem fühlte er sich
unbehaglich, da er kein wirkliches Interesse an dem jungen Ding hatte. Ihn
interessierte nur, was im Haushalt Scipione Borgheses vor sich ging, und
niemand anderer als ein Mitglied desselben konnte ihm dies schildern.
    „Ich komme zu spät nach Hause“,
flötete Julia, machte aber keinen Versuch mehr, an ihm vorüberzuschlüpfen.
    Enrico lehnte sich jetzt lässig an
eine der Hausmauern und betrachtete sie. Er ignorierte das Pfeifen von
gegenüber, das Julia noch verlegener machte. Ihre dunklen Augen besaßen kaum
eine Iris, lagen wie Inseln in weißer Gischt. Weich und warm flossen ihre
Gesichtszüge, noch nicht verhärtet vom Leben, von den Männern und den Sorgen um
die Kinder. Sie selbst schien noch Kind zu sein.
    Seine Schwester mochte in Julias
Alter sein, aber er hatte sie nicht mehr gesehen, seit er in den Konvent
geschickt worden war. Manchmal träumte er davon, wie sie als Kinder zusammen im
gleichen Bett geschlafen hatten, eng aneinander geschmiegt aus Angst vor einem
Gewitter – und er verglich dies mit den leeren, kalten Bettpritschen im
Konvent, in dem sich zwanzig Zöglinge wie er einen Raum teilten und wo die Hände
selbst bei bitterstem Frost auf der Decke zu liegen hatten.
    Kurz sah Julia auf, weil er nichts
sagte, senkte aber sofort den Kopf, als sie bemerkte, dass er sie aufmerksam
musterte.
    „Seid Ihr zufrieden mit dem, was
Ihr seht, Herr?“
    Enrico staunte über die forsche
Art, die so gar nicht zu ihrer vorherigen Weigerung passte.
    „Sehr, aber ... ich bin kein Herr!“
    Mit einem Nicken zeigte ihm Julia, dass
sie verstanden hatte.
    „Ihr wolltet mit mir reden?“
    „Das will ich immer noch, Julia“,
schmeichelte er. „Aber zuerst muss ich dich bewundern. Du bist so jung und
frisch, wie das Wasser, das aus den Brunnen Roms strömt.“
    Sie kicherte, weil ihr der
Vergleich offensichtlich gefiel.
    „Ihr sollt mir nicht schöntun.
Meine Mutter hat

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