Das Vermaechtnis des Caravaggio
erfahren hat?“
„Nicht gleich, mein lieber Gonzaga,
nicht gleich. Zum Glück konnte ich meine Hände in Unschuld waschen. Ihre
Heiligkeit tobte derart, dass die Schweizer Garde zusammenlief, weil sie einen
Anschlag befürchtete. Ich vermute Del Monte im Hintergrund. Seit Neuem geht er
bei seiner Heiligkeit täglich aus und ein. Nur er konnte davon gewusst haben,
nachdem Pater Leonardus mit auf dem Schiff war. Arbeitet nicht Fra Domenico,
von dem uns Enrico diesmal nichts zu berichten weiß, für ihn?“
Bevor sich der Wein in seiner Hand
zu sehr erwärmte, nahm Scipione Gonzaga einen Schluck und stellte das Glas
zurück. Selbst diese kleine Bewegung trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Rom
glich in diesen Tagen einer feuchten Hölle, die sich nicht entscheiden konnte
zwischen Sonne und Regen, zwischen Frühling und Sommer.
„Die Familie Di Russo ist den Del
Montes eng verbunden.“
Scipione Borghese starrte ins Glas
und versuchte aus der Spiegelung der Kerzen darin sich eine Zukunft
herauszulesen, was ihm natürlich nicht gelang, aber für einen Moment Respekt
vor den Menschen einflößte, die von dieser Form der Magie lebten und sich
fortwährend Geschichten ausdenken mussten. Waren sie selbst nicht ebensolche
Scharlatane, die glaubten, die päpstliche Politik vorausahnen und deren Entscheidungen
beeinflussen zu können? Aber sie agierten nicht ohne Grund. Eine Störung lag in
der Luft, ein Umbruch, ein Zeichen. Hatte nicht der Komet, der vor einigen
Jahren den Himmel beherrschte, Unglück angekündigt?
Sein Oheim verbrachte die letzten
Wochen damit, die Auseinandersetzung zwischen Protestanten und der katholischen
Kirche im Heiligen Römischen Reich zu beobachten. Den Majestätsbrief des
Kaisers, der den Böhmen Religionsfreiheit zusagte, hatte er scharf verurteilt. Er
versuchte mehr oder weniger erfolgreich ein Schutzbündnis der katholischen
Fürsten zustande zu bringen, um die Interessen seiner Kirche zu wahren, und
doch lag ihm nichts an einem Krieg. Dass dieser Wunsch Nachgiebigkeit
seinerseits mit einschloss, wollte ihm allerdings nicht in den Sinn, und nur
der französische Einfluss führte zu einer Kompromisshaltung gegen die
Protestanten im Reichsteil nördlich der Alpen.
Und plötzlich fiel ihm die
Parallelität in all diesen Ereignissen auf. Alle Welt schien auf etwas zu
warten, auf ein Ereignis, das in nächster Zukunft eintreten musste, dessen
Erscheinen niemanden erstaunte, weil alle Vorzeichen dafür sprachen – dessen
Zeitpunkt aber unklar blieb und dessen Wesen im Dunkeln lag.
Und kaum hatte Scipione Borghese
dies gedacht, als sich bereits sein Mund öffnete und die Überlegungen
Ferdinando Gonzaga vorlegte.
„Sie warten auf etwas, auf ein
Ereignis, aber worauf? Ich fühle eine Unruhe wie vor einem Sturm, obwohl die
Wolken sich noch nicht zusammengezogen haben. Es ist wie eine Gewissheit, die
man nicht zu begründen vermag.“
Die forschenden Augen des jungen
Gonzaga musterten ihn, als versuchten sie seine Gedanken zu lesen. Völlig
verblüfft setzte sich Scipione Borghese in seinem Stuhl etwas auf, als der
Kardinal seine Überlegungen erraten zu haben schien.
„Man munkelt davon, dass der
Franzosenkönig gegen das Reich ziehen will, um die Protestanten
niederzuzwingen.“
„Mein Oheim ist für Kompromisse. Er
will keinen Krieg.“
„Aber er lässt jeden verfolgen, der
seine Macht infrage stellt. Erinnert Euch an die Bücherverbrennungen der
letzten Jahre, an die Verfolgung der Blackwell-Anhänger in England, das Verbot
der Schrift Kardinal Bellarminos, der darin die potestats indirecta, die
mittelbare Gewalt des Papstes im Zeitlichen, mit einem Wort die Einschränkung
der päpstlichen Gewalt auf die Welt, entwickelt hatte. Jeglicher Kritiker der
Kurie muss verschwinden! Zudem schürt er den Zwist zwischen den Neugläubigen,
die hinter den Ideen des Martinus Luther stehen, und dem Deutschen Kaiser.“
„Ihr geht weit!“
„Ich betrachte mir nur wie Ihr
selbst die Wellenbewegungen der Geschichte und lese daraus die Ruhe vor einem
großen Sturm ab.“
„Worin, glaubt Ihr, Kardinal
Gonzaga, mag dieser Sturm bestehen?“
„Ereignisse werden erst im
Nachhinein groß und bedeutend. Für den Augenblick ihres Geschehens sind sie meist
nebensächlich und wenig aufregend. Unscheinbares wandelt sich zum Hebel der
Weltgeschichte, wenn es nur am richtigen Hebelpunkt ansetzt.“
„Ihr glaubt also ...“
„Ich weiß, Kardinal, ich weiß!“
„Was wisst Ihr?“
„Mein Oheim
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