Das Vermaechtnis des Caravaggio
jungen Frau herangewachsen. Sein Begehren
nach ihr erwachte. Insgeheim wünschte sie sich dies aber nicht. Ihr schienen
seine väterliche Art und seine eher schroff vertraute Zärtlichkeit angebrachter.
„Wir werden ihn nicht ewig hier
verstecken können. Irgendwann taucht der Johanniter auf!“
„Und Pater Leonardus, Enrico! Er
wird Vergeltung fordern.“
„Wir müssen nach Rom zurück. Er muss
nach Rom zurück.“
„Nicht bevor der Dispens
eingetroffen ist!“
Im selben Augenblick brach eine
Meute nackter Nymphen durch das Gebüsch, das die Terrasse umgab, und sprengte
auf die mit Kalksteinplatten ausgelegte Fläche, die die Sonnenwärme
speicherten. Die Nymphen hüpften wegen der Hitze, die ihre Fußsohlen
verbrannte. Rund um Nerina und Enrico tobten sie, bis ein weiteres Rascheln im
Gebüsch den Satyr ankündigte. Michele trat auf die Terrasse hinaus. Seine Augen
brannten rötlich. Er wankte, ganz eingefallen, die Schultern herabgesunken. Aus
dem stolzen Waldwesen erwuchs mit einem Mal ein jämmerlicher Mensch, dessen
Erschöpfung Spuren ins Gesicht zeichnete.
„Michele!“, war alles, was Nerina
herausbrachte.
Plötzlich sackte Michele zusammen,
brach in die Knie, die sofort wund schlugen und das Pflaster rot färbten.
Mit einem Satz waren Enrico und
Nerina bei Michele, griffen ihm unter die Arme, damit er nicht gänzlich aufs
Pflaster fiel. Wütend scheuchte Nerina die Huren um sie her fort, entließ sie
unter dem stillen Protest Micheles und wandte sich ihm wieder zu. Nur
widerwillig folgten sie ihrer Anweisung. Nerina wusste, dass sie bereits morgen
wieder nachfragen würden, ob Michele Entspannung nötig hätte.
„Ich bin einsam, Nerina, erschöpft,
mit meiner Fantasie am Ende. Sie haben es geschafft. Sie haben Michelangelo
Merisi zerstört!“
„Was redest du für einen Unsinn,
Michele!“, beschwichtigte Nerina, erschrocken darüber, wie klar Michele seine
eigene Situation erkannte. Wirklich benennen konnte er sie aber nur in seinen
düsteren Bildern.
„Du musst dich ausruhen!“
„Ich werde mich ausruhen, wenn es so
weit ist, wenn mein Licht auslöscht. Bis dahin, Nerina, habe ich zu tun.“
Die letzten Worte vernahm Nerina
kaum mehr, so leise, so weit von dieser Welt entfernt wurden sie gesprochen.
Dann sackte Michele der Kopf auf die Brust und seine Schultern fielen nach
innen. Eine Ohnmacht hüllte ihn ein.
3.
„Ich traue diesem Pater Leonardus
nicht mehr!“
Der Innenhof des Palazzo Borghese
bot am Abend reichlich Schatten. Scipione Borghese hatte befohlen, Tische und
Stühle hinauszustellen und saß jetzt mit Ferdinando Gonzaga vor einem Glas
Wein. Sie wollten die ersten schönen Tage genießen, aber die Luft roch
feuchtwarm und drückte in den Innenhof.
„Ihr tut recht daran, wenn wahr
ist, was Enrico hier geschrieben hat!“
In seiner Hand lag ein Brief, eng
beschrieben mit der schwungvollen, sicheren Handschrift Enricos.
„Ich hatte dem Pater befohlen, ein
Bild in Auftrag zu geben ...“
„... und er wollte es sich mit
Gewalt verschaffen und Caravaggio dafür an die Johanniter ausliefern.“
„Das hieße den Teufel mit dem
Beelzebub ausgetrieben.“
„Ts, ts, was für ein unchristlicher
Gedanke.“
Mit einer Handbewegung wischte
Scipione Borghese den Einwand beiseite. Im Augenblick fühlte er sich nicht zu
Scherzen aufgelegt. Beinahe hätte seine Unvorsichtigkeit dem Maler das Leben
gekostet.
Im Innenhof ruhte die Luft, als
wäre sie Wachs, in das Atrium eingeflossen und erstarrt. Die Säulen und Statuen
standen in der Selbstsicherheit ihrer steinernen Vergangenheit. Besäße er nur
ein wenig von dieser Fassung.
„Wir sitzen hier, zermartern uns
die Köpfe und können nichts tun. Die Hände sind uns gebunden.“
Ferdinando Gonzaga nahm sein
Weinglas und betrachtete durch das Glas hindurch die schimmernde Flüssigkeit.
„Wenn wir Caravaggio schon nicht nach
Rom holen können, sollten wir uns wenigstens überlegen, woran es liegt, dass
sich alles verzögert. Der Dispens müsste doch längst unterwegs sein. Hatten wir
nicht überlegt, dass er mit Caravaggios Abreise aus Palermo abgeschickt werden
sollte?“
Auch Scipione betrachtete das Glas
in der Hand des Mantuaner Kardinals. Sichtbar und doch abgesperrt. Das Weinglas
schien ihm ein Sinnbild zu sein für ihre Bemühungen um Caravaggio. Sie
gelangten nicht an ihn heran.
„Als blockiere jemand den Gang der
Dinge, Kardinal Gonzaga!“
„Glaubt Ihr, dass Euer Oheim von
der Finte mit Kardinalbischof Doria
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