Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
Vom Netzwerk:
Morgen und sterben, ohne ihren Aufenthalt auf
dieser Erde je bereuen zu müssen. Nur wir, wir Menschen, finden uns nicht damit
ab. Wir überziehen unser Dasein mit Ehrgeiz und dem Gedanken an ein Fortkommen,
mit Reichtum und Intrige, mit Gefühlen wie Hass und Neid, die allesamt geneigt
sind, uns zu zerstören. Campanella, der Dominikaner, hat ein System entwickelt,
in dem die Menschen glücklich sind, einen Sonnenstaat, der alle diese
fürchterlichen Verirrungen aufhebt und zu einem Ideal verschmilzt.“
    Nerina sah ihn an, beugte sich zu
ihm hinüber und gab ihm einen Kuss.
    „Das Leben ist anders, Enrico,
nicht so, wie es dir die Bücher vormachen.“
    „Wie dann?“
    „Grausam und schön, hell und
dunkel, leicht und schwer. Immer beides zusammen. Liebe und Last.“
    „Leg dich her! Vergiss die Zeit.“
    Gern hörte Enrico sie lachen. Sie
legte ihren Kopf auf seine Brust und starrte jetzt wie er zur Decke hinauf.
    „Ich denke mir, wenn Michele nicht
von ihm verfolgt wird, sondern ich selbst, dann galt auch der Überfall vor
einigen Monaten hier in Neapel nicht ihm, sondern mir. Der Johanniter will sich
möglicherweise an Michele rächen, aber er will ihn nicht umbringen. Ihm genügt
es, wenn er im Kerker Sant’Angelos langsam verfault. Mich aber will er töten – und
hat es mehrere Male versucht – ohne Erfolg.“ Sie stockte kurz, schluckte.
„Leben und Tod liegen auch so eng beieinander, Enrico.“
    „Wie kommst du darauf, Nerina? Lass
uns von etwas anderem sprechen. Die Deckenbilder hier machen melancholisch.“
    Sie schüttelte den Kopf, suchte
seine Hände und verflocht ihre Finger mit den seinen.
    „Leben und Tod, Enrico. Das malt
Michele. Er hat Angst vor dem Tod. Ihn bewegt ein unbestimmtes Grauen. Deshalb
malt er seine Furcht vor dem letzten, dem unwiderruflichen Ende. Ich aber denke
an den Anfang.“
    Jetzt stützte sich Enrico auf seine
Unterarme. Nerinas Kopf rutschte nach unten und blieb auf seinem Schoß liegen.
    „Wie meinst du das?“
    Sie schloss die Augen und lächelte.
Mit kreisenden Bewegungen strich sie über ihren Bauch, Enricos Finger fest
darin eingeschlossen.
    „Meine Blutungen haben aufgehört,
Enrico. Ich erwarte ein Kind von dir.“
    Im selben Augenblick hallte ein
Schrei durch den Palazzo Cellammare, der Enrico durch und durch ging und Nerina
zusammenzucken ließ.
11.
    Wie tot lag sie im Bett, Magdala,
eine der Hafenhuren, die sich in Nerinas Zimmer einquartiert hatte, nachdem
diese ausgezogen war, um Enrico möglichst nahe zu sein. Neben dem Bett
verstreut lagen eine Waschschüssel und ein zerbrochener Krug, sowie
Seifenpulver und Tücher. Nach kurzem Zögern begann Enrico, der sich wie Nerina
nur schnell etwas übergeworfen hatte, die Frau zu untersuchen. Nur leicht
bekleidet, ihre Blöße unzureichend bedeckt, lag sie auf dem Rücken, und Nerina
sah, wie Enrico wohl unwillkürliche ihre Reize mit den ihren verglich.
    „Sie lebt. Ich glaube, es ist nur
eine Ohnmacht.“
    Mit zwei sanften Ohrfeigen holte
Enrico sie zurück ins Leben. Sie schlug die Augen auf und griff sich an den
Kopf. Dann stöhnte sie. Nerina langte ebenfalls an die Stelle, die ihr offenbar
wehtat, und bemerkte eine Beule. Jemand hatte sie niedergeschlagen.
    „Was ist geschehen, Magdala?“
    Die Hafenhure musste sich erst
orientieren, bis sie offensichtlich begriff, dass sie sich im Palazzo
Cellammare befand.
    „Ich wollte mich säubern“, erzählte
sie. „Untenherum. Da habe ich hinter mir Schritte gehört. Ich habe mich umgedreht,
schließlich soll man nicht alles …, jedenfalls ist da dieser Pfaffe vor mir gestanden
mit einem Kreuz in der Hand. Der war genauso überrascht wie ich. Ich habe noch
gesehen, wie er ausgeholt hat, dann war alles weg.“
    „Du hast geschrien.“
    „Kann sein, ich weiß es nicht
mehr.“
    In Nerina stieg ein ungeheurer
Verdacht auf. Zwar patrouillierten im ganzen Schloss und im Garten Wachen, aber
ein Priester, der zur Marchesa di Caravaggio wollte, konnte sicherlich
ungehindert passieren. Die Wachen waren nur vor dem Johanniter gewarnt worden.
    „Der Johanniter? Pater Leonardus?“
    Enrico sah Nerina an. Dann schienen
beide dasselbe zu denken.
    „Michele, wo ist Michele?“
    Sowohl Enrico als auch Nerina
schrien durcheinander. Beide ließen Magdala stehen, wo sie war, und rannten zu
Micheles Atelier am Ende des Ganges. Die Tür stand offen. Nerina lugte
vorsichtig ins Innere des Zimmers. Langsam, als erwarte sie eine Falle, betrat
Nerina das Atelier und erstarrte.

Weitere Kostenlose Bücher