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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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mit
meinem Leben langweilen.“
    „Das tut Ihr nicht, Enrico.“
    Nerina hörte ihre eigene Stimme. Sie
klang tiefer als sonst und vibrierte in einem leichten Tremolo. Es überraschte
sie nicht. Sie mochte den jungen Mann gut leiden. Enrico schien die Veränderung
bemerkt zu haben, denn er räusperte sich, bevor er fortfuhr.
    „Ferdinando Gonzaga ist hier in
Rom. Ich habe zufällig ein Gespräch belauscht, in dem es über Euren Meister
ging. Er soll in die päpstliche Politik eingebunden werden. Als Mittel zum
Zweck.“
    Nerina lachte herzhaft, fuhr sich
aber plötzlich an den Mund und hielt ihn sich zu. Trotzdem konnte sie ein
Kichern nicht unterdrücken.
    „Ihr träumt, Enrico. Wie soll ein
Maler Einfluss auf die Politik nehmen? Er malt. Wir ergötzen uns am Ergebnis.
Er malt für die Kirche, weil sie ihm Bilder abkauft.“ Sie senkte die Stimme etwas:
„Sagt mir lieber, dass Ihr Euch um mich Gedanken gemacht habt und mich
wiedersehen wolltet.“
    Enrico schwieg. Nerina war zunächst
verblüfft. Jetzt hatte sie ihm einen Köder hingeworfen, und er nahm ihn nicht
auf. Interessierte er sich nicht für sie? Dann reagierte sie ärgerlich. Sie
hatte es nicht nötig, sich einem Kerl wie diesem Enrico an den Hals zu werfen.
    „Ihr braucht Euch nicht zu
verstellen. Aber warum beredet Ihr Eure Beobachtungen nicht mit Michele selbst?
Ich bin nicht seine Mutter!“
    Sie war lauter geworden, als sie
gewollt hatte, weil sie das Verstummen Enricos traf. Verfolgte der Kerl
wirklich derart abstruse Gedanken? Michele Merisi in Gefahr! Lächerlich. Er war
einer der bedeutendsten Maler Roms – und jeder, der sich an ihm vergriffen hätte,
wäre unweigerlich in den Kerkergewölben des Tor di Nona gelandet oder hätte auf
dem Scheiterhaufen gebrannt. Die einzige Gefahr, der er wirklich ausgesetzt
war, fand sich in Tonkrügen und leuchtete rubinfarben. Der Wein würde ihn eines
Tages umbringen.
    Plötzlich riss Enrico an ihrer
Hand, sodass sie aus Ihrem Nachdenken aufschreckte. Er drängte sich eng an sie,
um ihr ins Ohr zu flüstern.
    „Pst! Er ist ganz in der Nähe!“
    Sofort horchte Nerina auf die
Geräusche um sie herum: das hohe Sirren der Fledermäuse, das Rauschen des
Tibers, der sich an der Insel brach, das Surren der Mücken und ein beständiges
Zirpen früher Heuschrecken. Dazwischen glaubte sie, leises Atmen zu hören, als
versuche jemand durch den offenen Mund einzuatmen, um das Geräusch der in die Lunge
strömenden Luft zu verringern. Je intensiver sie sich auf dieses verdeckte
Ziehen konzentrierte, desto deutlicher festigte sich in ihr der Gedanke, nicht
allein zu sein.
    „Wer ist da?“, fragte sie
unvermittelt und fühlte, wie Enrico den Arm schützend um sie legte.
    Sie vernahm ein hustendes
Erschrecken und danach Schritte, die sich entfernten.
    Eine Weile verharrten sie noch so,
Enrico eng an sie gedrückt. Nerina fühlte Enricos Körper neben sich, seine
Wärme, die leichten Bewegungen, als wolle er sich an sie schmiegen, und den
Druck seines Armes. Auch jetzt, nachdem die Bedrohung vorüber war, entließ er
sie nicht. Still verharrten sie so eine ganze Zeit, und sie schloss trotz der
Dunkelheit einfach die Augen und genoss seine Nähe, bis es sie vor Erregung
fröstelte. Erst jetzt lockerte Enrico seinen Griff.
    „Er ist weg“, flüsterte er.
    „Ja. Wie hat er uns gefunden?“
    „Euer Freund muss sich gut
auskennen, wenn er Euch hier unten am Fluss entdeckt hat. Es scheint kein Platz
zu sein, den Ihr zum ersten Mal aufsucht.“
    Noch während Enrico sie umarmte und
an sich drückte, griff sie nach ihrem Amulett und umfasste es. Kühle Sicherheit
entströmte ihm.
    „Warum hat er uns belauscht?“
    „Ich weiß es nicht. Das würde ich
selbst zu gerne erfahren. Ich hoffe nur, Ihr nehmt meine Warnung jetzt ernst.
Vermutlich seid Ihr ebenso in Gefahr wie Caravaggio. Ich möchte Euch bitten,
mir zu vertrauen – und mir zu helfen.“ 
    Nerina stand auf und strich sich im
Dunkeln die Kleider glatt, bis sie bemerkte, dass niemand sehen konnte, dass sie
verknittert waren. Zum ersten Mal überkam sie das Gefühl, dass sie ihm von Lena
und ihrer Begegnung erzählen sollte, dann aber zögerte sie.
    „Warum tut Ihr das, Enrico?“
13.
    „Du wirst das Haus noch abbrennen!“,
schrie Nerina Michele an.
    „Ich brauche Ruhe – und ich brauche
Licht. Schafft mir Fackeln, Fackeln, schnell?“
    Michele starrte sie aus rot
unterlaufenen Augen an, die tief in ihren Höhlen lagen. Wein troff von seinen
Lippen, und

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