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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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seine Kleidung war über und über mit Farbe beschmutzt.
    In solchen Situationen hasste sie
ihn, weil seine Tiernatur in ihm durchbrach, die so nichts mit dem feinfühligen
Künstler zu tun hatte, weil ihn ein Dämon umtrieb, von dem sie nicht wusste, ob
er Michele zerstören oder ihn nur zu Ungeahntem führen wollte.
    „Du siehst aus wie ein Schwein und
stinkst ebenso, Michele. Und wenn du uns zumutest, dass wir hier mit
geschlossenen Fenstern in dieser Kammer hocken, damit du keinen Ärger bekommst
wegen der Verdunkelung zur Trauer um den Tod des Papstes, und uns von deinen
rußigen Fackeln die Luft zum Atmen nehmen lassen, dann irrst du dich. Du bist
ja wahnsinnig!“
    Michele erhob sich und drehte eine
Runde um das Bild, das die tote Maria zeigte, wie sie umringt wurde von
Aposteln und Frauen. Wie ein Wolf gebärdete er sich, der um seine Beute
schleicht, der seine Kreise zieht, bevor er zubeißt und Wunden reißt, sich
ihrer aber nicht sicher wähnt, weil sie abwehrbereit und kräftig ist.
    Nerina ließ ihn nicht aus den
Augen. Die Modelle, die sich hinter ihr um eine gedachte Lena gruppierten, wagten
es offenbar nicht, sich zu rühren. Zu häufig hatten sie Micheles
Tobsuchtsanfälle erlebt, zu häufig waren sie von seiner Unmäßigkeit zutiefst
verletzt worden. Je stärker er trank, je bekannter er in Rom wurde, desto
unbeherrschter gab er sich und desto gewalttätiger brach es aus ihm heraus. Mit
einer hastigen Bewegung, die selbst Nerina überraschte, warf Michele die
Palette quer durch den Raum, sodass sie Nerina an der Schulter traf. Dann griff
sich Michele eine der Fackeln und schwenkte sie wild durch das Atelier.
    „Soll sie doch brennen, die Bude.
Soll sie in einem Inferno auflodern. Ihr habt doch keine Ahnung, was es heißt,
einen Gedanken auf die Leinwand zu bringen. Ihr seid doch alles ignorante
Schmierfinken und blinde Gaffer. Niemand weiß, welche Überwindung es mich
kostet, einen Pinselstrich zu tun, eine Farbe zu setzen, einen Ausdruck zu
modellieren.“
    Wie ein Irrwisch tanzte Michele mit
der Fackel durch den Raum, sodass die Funken stoben und die Modelle sich hastig
zurückzogen, um der Fackel auszuweichen.
    „Bleibt wo ihr seid!“, fauchte
Michele sie an.
    Dann wandte er sich Nerina zu, die
auf ihrem Stuhl kauerte, sich die schmerzende Schulter hielt und bestürzt und
fasziniert zugleich dem Schauspiel gefolgt war. Ein Irrwisch trieb Michele
durch den Raum und versuchte, seinen Geist zu verwirren. Schwer atmend kam er
auf sie zu. Er leuchtete ihr mit dem Fackelbrand ins Gesicht. Seine Augen
glänzten fiebrig. Nerina musste den Kopf zurücknehmen, das Feuer begann ihre
Haare zu versengen.
    „Du hast mir wehgetan!“, warf sie
ihm vor, hob Micheles Palette auf und hielt sie ihm hin.
    Nerina sah, dass sich Micheles
Augen veränderten. Aus einem Flackern, das noch dem der Fackel geglichen hatte,
wurde ein ungläubiges Staunen, vermischt mit einer zunehmenden Furcht. Rasch
zog er die Fackel zurück, hielt sie hinter seinen Körper.
    „Dir weh? Ich habe dir wehgetan?“
    Nerina nickte und sah ihm direkt in
die Augen. Sie wagte ein feines Lächeln, das Michele weiter verunsicherte.
    „Das darf nicht sein“, sagte er und
wiederholte es mehrmals hintereinander, als müsse er sich den Sinn des Satzes
langsam verdeutlichen. Dann nahm er die Palette, setzte sich halb stehend an
sein Bild und begann wieder Faltenwürfe und Gesichter zu verfeinern, als wäre
nichts geschehen.
    „Mehr Licht!“, flüsterte er. „Mehr
Licht!“
    Aber ohne darauf zu achten, ob mehr
Fackeln angezündet wurden, mischte er und trug Farbe auf. Sein ganzes Wesen war
so, als ob er sich nicht bei sich fühlte, als wäre jemand anderer in seine
Hülle geschlüpft und hätte seinen Platz eingenommen, um dort vor dem Bild Farbe
aufzutragen, zu mischen, zu glätten.
    Nerina stand auf und stellte sich
hinter ihn. Sanft begann sie, seinen Nacken zu massieren. Seit beinahe zehn
Stunden stand Michele an der Staffelei, vor sich die Modelle und das Bild. Er
gönnte sich keinen Augenblick der Ruhe, aß nicht, trank nur eine um die andere
Flasche Wein und scheuchte seine Modelle aus dem Atelier oder bettelte sie
wieder von der Straße unten herauf, wie er es gerade für nötig hielt.
    „Du musst schlafen, Michele!“, flüsterte
sie ihm ins Ohr und deutete den Modellen an, sie sollten das Zimmer verlassen.
Plötzlich schien Michele jeden Willen verloren zu haben. Beinahe mechanisch
korrigierte er Konturen und füllte Farbflächen

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