Das Vermaechtnis des Caravaggio
schnelleres Arbeitstempo verschafft. Ich habe mich in seiner
Vergangenheit umgetan und bin auf ein Ereignis im Leben Michelangelo Merisis
gestoßen, das Euch interessieren sollte. Bevor er nach Rom aufbrach, lag er
bereits einmal mit dem Gesetz in Konflikt. Er – saß im Gefängnis.“
Mit vorgehaltener Hand gähnte
Scipione Borghese. Was wollte dieser Kerl mit seiner Gefängnisgeschichte?
Beinahe jeder rechtschaffene Künstler hatte schon einmal im Gefängnis gesessen,
schließlich waren sie alle arme Schlucker, bevor sie einen Gönner und Förderer
fanden. Schuldturm und Schuldhaft, Pranger und Halsgeige waren den meisten
wohlvertraut.
„Ich warte ... es müsste eine
Neuigkeit sein, die sich von anderen stark unterscheidet.“
„Oh, Ihr werdet Euch wundern.
Michelangelo Merisi hat eine Schwester. Bevor er nach Rom ging, glichen die
Geschwister das Erbe aus. Mit den bescheidenen Mitteln daraus konnte sich
Caravaggio in Rom niederlassen.“
„Ich warte noch immer!“, meinte
Scipione Borghese, der es hasste, wenn man um den Fischkopf herumschlich wie
eine Katze. Er gähnte wieder.
„Nun, bevor sich die beiden
Geschwister verglichen haben, war Caravaggio im Gefängnis!“
„Seiner Schulden wegen?“
Pater Leonardus stemmte sich auf
den Schreibtisch. Mit Unbehagen beobachtete Scipione Borghese das Verhalten seines
Informanten. Was erlaubte er sich? Pater Leonardus senkte die Stimme und
flüsterte die letzten Worte. Und diesmal gähnte Scipione Borghese nicht. Er sah
sein Gegenüber erstaunt an.
„Und Ihr seid sicher?
Mit der Faust schlug er in seine
offene Handfläche. Er brauchte Caravaggio nicht fallen zu lassen. Im Gegenteil.
Jetzt hatte er ihn in der Hand. Jetzt würde er für ihn, Scipione Borghese,
arbeiten, bis er daran zerbrach.
„Ganz sicher, Exzellenz!“
15.
Nerina erwachte mit einem Druck an
den Schläfen und einem Ziehen im Bauch. Durch den Vorhang, der ihren Schlafraum
vom übrigen Atelier abtrennte, drang bereits Sonnenlicht. Die aufgewärmte Luft
trieb ihr Schweiß auf die Haut. Es roch dumpf. Übel war ihr, und der Speichel
im Mund schmeckte bitter. Sie stand auf, setzte sich über den Nachttopf und
löste die Binden, die sie sich am Abend vorsorglich zwischen die Beine gelegt
hatte. Gestern hatte sie sich noch einen Krug Brunnenwasser zurechtgestellt.
Jetzt reinigte sie sich damit, legte die blutigen Binden zum Weichen ins Wasser
und knüpfte das frische Tuch um die Hüften. An diesen Tagen beneidete sie die
Männer. Sie warf sich ihr Kleid über und schloss den Gürtel, dann zog sie es
bis unter die Brust hinauf, sodass es sich über dem Bauch bauschte. So
versuchte sie vom Wulst des Bindenhalters abzulenken.
Als sie den Vorhang zurückschlug,
staunte sie. Von Michele war keine Spur zu entdecken. Sie versuchte
nachzudenken. Durch den dumpfen Kopfschmerz hindurch quälte sich die Erinnerung
an gestern mühsam ins Bewusstsein. Als sie sich niedergelegt hatte, graute
bereits der Morgen, und Michele hatte sich mit dem Malen einer Tapisserie im
Hintergrund des Bildes aufgehalten. Jetzt stand das Gemälde auf der Staffelei,
ein Tuch darüber gedeckt und Michele war verschwunden. Sie trat näher, hob den
Stoff. „Der Tod Mariäs“ roch noch nach frischer Farbe, war aber vollendet. Sie
konnte jedenfalls keine offene Stellen entdecken. Michele hatte das Bild
beendet, während sie geschlafen hatte – und sie konnte erkennen, dass er der Toten
zuletzt den Gesichtsausdruck einer Schlafenden über das Antlitz gelegt hatte.
Er war ein Zauberer. Keiner aus der Malergilde Roms konnte solche Bilder malen
und in dieser Geschwindigkeit. Nerina schlug den Stoff ganz zurück und setzte
sich auf den Malerhocker. So konnte sie das Bild genau betrachten und ihre
Schmerzen etwas mildern. Sie legte sich die warme Hand auf den Bauch und ließ
diese leicht kreisen.
Er hatte ihr einmal erzählt, dass
er in seinen Anfängen bei einem gewissen Lorenzo und danach bei einem Mann
namens Antiveduto Grammatica gewohnt hatte, die beide von schnellen
Porträtarbeiten gelebt hatten. Damals war es ihm gelungen, die Fertigkeit des
raschen Malens zu erlernen. Und er hatte sie bis heute beibehalten.
Sie ließ ihren Blick über das Bild
gleiten. Michele war kein frommer Mensch. In allem verstieß er gegen das von
der Kirche der neuen Ordnung erwünschte Programm. Sie ahnte, dass er das Bild
trotz seiner Ausdruckskraft nicht würde verkaufen können, dass er es würde
umarbeiten und ändern müssen, bis die frommen
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