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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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Weinberge
an der krummen Mauer, zu überlassen, während ich für meine beiden Brüder den
Palazzo reserviere. Es ist Euch recht, Scipione?“
    Ohne eine Antwort abzuwarten,
klatschte Papst Paul V. in die Hände. Ein Kleriker erschien, der Scipione in
Empfang nahm und hinausbegleitete. Scipione verbeugte sich tief und verschwand
mit einem nicht ausgesprochenen inneren Groll.
    Er wusste nur eines, er wollte
Kardinal werden, koste es, was es wolle, und er würde Caravaggio nicht fallen
lassen.
19.
    Mit den Fingern trommelte Nerina
nervös auf den Tisch. Der Degenstreit mit dem Notar Mariano Pasqualone
d’Accumulo wegen seines Verhältnisses zu Lena, als sie noch lebte, seine
schwere Degenverletzung und drei Wochen Kerker im Tor di Nona, denen er nur
durch die Hinterlegung von 100 Scudi Silber entrann, sowie Micheles Misserfolg
in der Kirche Santa Maria della Scala hatten ihn stärker zum Weinkrug
getrieben, als je zuvor. Warum nur trank Michele in einem fort? Was wollte er
im Wein ertränken? Plagten ihn Erinnerungen, konnte er sein expressives Wesen
nur so ruhigstellen? Nerina wusste es nicht, ahnte nicht einmal, was in diesem Menschen
tatsächlich vorging. Seit drei Jahren lernte sie von ihm, wenn er nüchtern war,
und seit drei Jahren kannte sie ihn nicht näher als ihre Töpfe mit
Farbpigmenten. Vieles hätte sie darum gegeben, nur zu erfahren, was ihn
umtrieb, welcher Dämon ihn so bedrängte, dass er sich bis in die Bewusstlosigkeit
hineintrank.
    In einem Winkel der Osteria wartete
sie, dass Michele ein Ende fand, dass er aufhörte, immer noch einen Krug Wein
zu bestellen, dass der Wirt ihm keinen Kredit mehr gab oder dass er von niemandem
mehr eingeladen wurde. Aber Michele war beliebt. Er sang und erzählte, wenn er
getrunken hatte, er stieg für ein Tänzchen auf die Tische und griff dem Mädchen
vom Ausschank unter den Rock, sodass es kreischte und die Männerrunde Beifall
klatschte. Gern spielte er den Mittelpunkt einer Gesellschaft von Saufkumpanen
und Prostituierten, und wenn sie seine Bilder betrachtete, dann fand sie gerade
diesen Menschenschlag dort wieder, die Spieler und Bettler, die Mädchen und
Wahrsagerinnen, die vom Würfel Besessenen und vom Leben Gepeinigten. Ob es der
Heilige Hieronymus war, den er malte, oder die Heiligen Petrus und Paulus, ob
es sich um die Berufung des Matthäus handelte oder tatsächlich um eine Runde
von Spielern oder eine Wahrsagerin, er malte die Menschen Roms, und nicht die
erhabenen, die Prälaten und Monsignori, die Grafen und Herzöge, die
Pfeffersäcke und bürgerlichen Beutelschneider mit Wappenrecht, oder
irgendwelche erfundenen Gestalten, die man im Leben nirgends antraf und sich
nur einbildete, sondern das Volk. Seine Gesichter zeigten die Erfahrung von
Leid und Trauer, weil sie Leid erlebt und Trauer gefühlt hatten, die Hände
hatten Schrunden und Schwielen, die Beine und Füße seiner Heiligen zeigten
Narben und Hornhaut. Dafür liebten ihn seine Römer, dafür liebte sie, Nerina,
ihn – und doch konnte sich Nerina nicht damit abfinden, dass er sein ganzes
Leben in diesen dunklen Löchern verbrachte, in denen Wein ausgeschenkt und in
denen gerauft und gelogen, gehurt und geschändet wurde, dass sie ihn dort suchen
musste, abseits des Sonnenlichts, wo er ebenso zerlumpt und zerrissen
herumlungerte wie die zwielichtigen Fischer und Krämer, die Kistler und
Schmiede. Sie schämte sich für seinen Aufzug. Micheles Jacke, deren Stoff noch
vor einem Jahr nicht hatte erlesen genug sein können, hing zerrissen, speckig
und voller Farbe von seinem mageren Körper. Die Ärmel fransten aus, die Stöße
waren durchgescheuert, an den Ellbogen gähnten faustgroße Löcher. Tag und Nacht
verbrachte er in derselben Kleidung, bis sie ihm buchstäblich vom Leib fiel,
und er stank nach wenigen Monaten ebenso erbärmlich wie seine Mitsäufer. Wenn
Nerina ihn in einer der vielen Osterien fand, zerrte sie ihn aus dem Raum wie
einen alten Ehemann, und Michele ließ sich meist willenlos mitführen. Dabei wusste
sie nicht, ob sie sich vor ihm ekeln oder ihn bewundern sollte, weil er nichts
auf sein Äußeres gab und ebenso schlicht und ärmlich daherkam wie die Menschen
der Straße. Micheles Reichtum lag in seinem Kopf, seinen Bildern, dort fanden
sich Licht und Schatten, dort fand sich die Schönheit der Einfachheit, der
schlichten Farbgebung und Form, der wundervollen Beleuchtung.
    Heute lag eine gespannte Stimmung
in der Luft, und sie wartete auf Enrico, der zugesagt hatte, noch

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