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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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Schweiß.
    „Nichts anderes habe ich erwartet,
auch wenn es Euch jetzt noch die Sprache verschlägt, Scipione. Nur eine
Bedingung muss ich stellen, eine einzige.“
    Scipione Borghese atmete mit einem
lauten Ziehen tief durch. Es waren zweierlei Dinge, sich die Ernennung zum
Kardinal vorzustellen und sie angeboten zu bekommen.
    „Eine Bedingung? Ist nicht die
Tatsache, dass ich in den Kirchendienst eintrete, Bedingung genug?“
    Wieder hob Camillo Borghese die
Arme und deutete in die Runde, sein Gesicht verdüsterte sich, und nur die
weißen Bartspitzen schienen darin zu leuchten.
    „All das hier atmet eine Zeit, die
ihrem Ende zugeht. Ich weiß es, Ihr wisst es. Aber noch ist niemand zu
erkennen, der in die Fußstapfen Raffaels oder Michelangelos treten könnte. Kein
Bramante in Sicht, kein uomo universale vom Format Michelangelo Buonarottis
greifbar oder zu erkennen. Gefällige Maler, ja, gute Techniker auch, aber keine
Genies.“
    Etwas verunsichert besah sich
Scipione seinen Oheim. Sagte er das alles bei gesundem Menschenverstand oder
hatte das Konklave seinen Geist verwirrt. Was wollte er damit? Was hatte diese
Aufzählung der Genies, die für die Päpste der Vergangenheit gearbeitet hatten,
mit seiner Ernennung in der Gegenwart zu tun? Worauf wollte der alte Fuchs
hinaus? Langsam begriff Scipione. Dieser ganzen Inszenierung mit den Stanzen,
mit ihren Hinweisen auf die Wahrheit, seiner Aussicht auf die Ernennung zum
Kardinal, lag ein Programm zugrunde. Und jetzt ließ der neue Papst die Katze
aus dem Sack.
    „Ich bin mir nicht sicher, was Ihr
mir sagen wollt, Oheim“, versuchte Scipione, sich Klarheit zu verschaffen.
    „Mit Eurem Schauspiel in der Kirche
Santa Maria della Scala habt Ihr uns einen großen Dienst erwiesen. Leo XI.,
dieser Medici-Abkömmling, ärgerte sich buchstäblich zu Tode. Ein wunderbares
Spektakel – und für unsere Aufgabe unendlich nützlich. Es zeigte sich, dass das
Volk hinter unserem Gedankengut steht. Diesem Caravaggio hätten die meisten
Befürworter der spanischen Fraktion gerne den Kopf abgerissen. Vortrefflich,
vortrefflich.“
    Langsam wurde Scipione misstrauisch.
Er wusste, dass seinem Oheim die Art zu malen, die Caravaggio pflegte, nicht
gefiel, dass er den Maler nicht mochte und nie ein Bild von ihm würde kaufen
wollen. Aber es waren immer die jüngeren der Familie gewesen, die sich dem
Neuen zugewandt hatten – und von den älteren Familienangehörigen wurde dies
geduldet.
    Camillo Borghese begann, Scipione
langsam aus dem Raum zu geleiten, wieder zurück zum Saal, der Kaiser Konstantin
gewidmet war. Jetzt erst fiel Scipione auf, wie gebeugt sein Oheim ging, als
wäre ihm mit der Amtsübernahme eine Bürde auferlegt worden, die ihn
niederdrückte.
    „Ihr müsst Euch von Caravaggio
trennen, Scipione. Ich kann solch einen Schmierfinken und Querdenker nicht in
meinem Rom dulden!“ Mit einer Handbewegung schnitt Paul V. Scipiones
Einwendungen ab, bevor dieser Luft holen konnte. In wenigen Augenblicken
wandelte er sich vom Oheim zum Papst, zum Beherrscher der Gläubigen, dem
Oberhaupt der katholischen Kirche, dem Wahrer des Glaubens. „Er hat seine
Schuldigkeit getan. Jedes weitere Bild würde meine Stellung untergraben. Ihr wisst,
Scipione, dass seine Gedanken in den Gemälden nicht die der Kirche sind, dass
er zu viel vom Gut der neuen Zeit verarbeitet. Eine Muttergottes, barfüßig und
mit aufgedunsenem Körper! Undenkbar.“
    Völlig verblüfft erwiderte
Scipione: „Aber gerade seine Offenheit für die Belange des Volkes hat Euch die
Stimmen der italienischen Fraktion zugetragen, Oheim. Gerade auf seiner
Provokation konntet Ihr ans Ziel Eurer Wünsche segeln. Wenn ihn auch die
spanischen Kleriker hassen, die Fischer und Spieler, die Tagelöhner und
Wahrsager lieben ihn. Mit einem Wort, das Volk selbst!“
    Paul V. streckte Scipione seinen
Ring entgegen. Er war entlassen. Widerwillig küsste dieser ihn und hielt dabei
die zittrige Hand seines Oheims kurz in den Fingern.
    „Und jeder andere könnte ihn gegen
mich benutzen. Keine Widerrede. Entweder, Ihr sagt Euch von Caravaggio los,
oder Ihr werdet nicht Kardinal. Und wenn ich mich recht entsinne, dann war eben
das Euer Wunsch.“ Mit einem leichten Druck auf die Schultern beförderte er
Scipione zur Tür. Bevor er klatschte, um einen der dienstbaren Geister zu
scheuchen, meinte er noch: „Ach ja, ich habe mir überlegt, nachdem ich hierher
umgezogen bin, Euch das Gelände der Vigna Vecchia del Muro Torto, der

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