Das Vermaechtnis des Caravaggio
Hand. Mit einer heftigen Bewegung schüttete
er den Krug über zwei Bänke hinweg auf Caravaggio. „Du hast keine Familie mehr?
Dann hast du sie umgebracht, du Schuft. Oder stimmt es etwa nicht, dass du
bereits einmal wegen Totschlags im Gefängnis gesessen hast, in Caravaggio
selbst, wo du herstammst, weil du den Freier deiner Schwester ermordet hast,
weil du sie lieber für dich haben wolltest?“
Nerinas Aufmerksamkeit wurde nicht
nur auf die beiden Streithähne gelenkt, die jetzt beide standen und sich mit
wutverzerrten Gesichtern belauerten. Der Wirt sprang dazwischen, und versuchte
zu schlichten, aber beide wehrten ab.
„Dann prügelt euch vor der Tür,
meine Herren, nicht hier, sonst müsst Ihr zuerst mich niederzwingen.“
Unwillkürlich musste Nerina
lächeln. Gut sieben Ellen maß der Wirt und war um zwei Kopf größer als Michele
und Baglione. Hinter ihm hätten sie sich beide leicht verstecken können, mager
wie sie waren.
„Dann auf der Straße!“, schrie
Michele und stieß eine Bank beiseite, damit er ungehindert nach draußen
gelangen konnte. Aber sobald er den Tisch verließ, schwankte er bedrohlich und
die Beine knickten ihm weg.
Baglione hatte weniger getrunken
und war dementsprechend sicherer auf den Beinen, obwohl auch bei ihm die Zunge
schwer lief und die Wörter zerbrach. Dicht nebeneinander stolperten die beiden
Streithähne durch die Tür der Osteria. Mit einem unruhigen Gefühl im Bauch
folgte Nerina den Männern auf die Straße. Sie wusste nicht recht, ob sie den
Kampf zulassen oder verhindern sollte. Die Männer waren einerseits betrunken
genug, um sich nicht allzu lange schlagen zu können. Zum anderen bedeutete eine
weitere Niederlage für Michele, dass er über Wochen nicht mehr aus seiner
Weinlaune herausfinden würde, und sie mussten morgen Rom verlassen. Als sie an
der Tür stand, bemerkte sie, dass der Mönch, der noch vor dem Streit dort
gesessen hatte, fehlte. Nur dieser eigenartige Geruch, der sie seit Wochen
verfolgte, hing noch über den Bänken.
Während sie überlegte, ob ihre
Einbildung, dass der Mönch etwas mit dem Benehmen Bagliones zu tun haben
könnte, hörte sie vor der Tür die klatschenden Schläge der Rauflustigen.
Als sie auf die Straße hinaus trat,
blutete Michele bereits aus der Nase und lag im Schlamm der Gosse. Mit einem
unsicheren Fußtritt wollte Baglione gerade seinen Sieg beschließen, als aus der
Dunkelheit ein Hund herausschnellte, lautlos, ohne ein Knurren oder Bellen,
ebenso schwarz wie die Nacht, die auf Rom lag. Entschlossen fasste das Tier
Bagliones Bein, riss kurz an ihm, sodass der Maler aufheulte vor Schmerzen,
obwohl Nerina deutlich sah, dass der Hund nur oberflächlich zugepackt hatte.
Baglione stürzte. Der Hund aber stellte sich vor Michele, fletschte die Zähne
und knurrte die Gaffer an, die auf einen ausgiebigen Kampf begierig gewesen
waren.
Michele schien den Hund zu kennen,
denn er tätschelte ihm die Flanke und sprach auf ihn ein. Kein Wort konnte
Nerina verstehen, bis auf den Namen des Hundes, „Nero“. Nero vereinte in sich
eine ganze Reihe von Hunderassen, wie hier in Rom üblich. Aber er zeugte von
Kraft, und sein kurzes schwarzes Fell wirkte für einen Straßenköter gesund und
gepflegt. Er schien das Tier eines wohlhabenden Halters zu sein. Nerina
erwartete, dass sein Herr aus der Dunkelheit trat und sich zeigte, aber nichts
dergleichen geschah.
Die Neugierigen zogen sich wieder
in die Osteria zurück, Baglione humpelte mit Mao fluchend und schimpfend davon
und drohte in das Hundeknurren hinein, Michele anzuzeigen, und schließlich
blieben nur noch Nerina und Michele auf der Gasse übrig. Nero legte den Kopf schief
und sah sie an. Als sie einen Schritt auf Michele zu machte, legte sich Nero
zwischen Micheles Beine, die Schnauze auf den Pfoten.
Vorsichtig näherte sie sich dem
Hund, sprach ruhig auf ihn ein, hielt ihm den Handrücken entgegen, damit er
daran schnüffeln konnte. Zwar spitzte der Hund die Ohren, rührte sich aber
nicht. Selbst als Nerina Micheles Nasenbluten mit einem Streifen Stoff stillte,
den sie ihm vom Ärmel riss, spitzte Nero nur die Ohren.
Michele selbst schlief. Der Kampf
hatte ihn ganz offensichtlich erschöpft und der Wein schließlich gefällt.
Plötzlich erhob sich Nero und
knurrte in die Dunkelheit vor sich. Erschrocken drehte sich Nerina um und
starrte in die Schwärze. Sie konnte nichts und niemanden erkennen, nur ein
Rascheln, als würde Stoff aneinander gerieben, vernahm sie,
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