Das Vermaechtnis des Caravaggio
auf die Knie nieder, nahm die
Hand des Papstes und küsste den Ring. In dieser Stellung verharrte er, bis ein
Wink Pauls ihn aufforderte, sich zu erheben. Mit gesenkten Augen wartete er
darauf, dass ihn der neue Papst ansprach, denn so wollte es das Zeremoniell,
während er innerlich den ganzen Firlefanz und Humbug zum Teufel wünschte.
Ein weiterer Wink Pauls ließ alle
dienstbaren Geister verschwinden, und selbst der neue Berater wurde aus dem
Empfangsraum im Vatikan geschickt. Erst als der letzte Kleriker den Raum
verlassen hatte, erhob sich Paul V. und trat auf Scipione zu.
„Ich freue mich, Scipione, dass Ihr
gekommen seid, jetzt, wo wir am Ziel sind. Der alte Medici tot, der junge
Borghese auf dem Stuhl Petri. Das Ende allen spanischen Einflusses und der
Aufgang eines neuen Sterns.“
Neugierig betrachtete Scipione
Borghese seinen Oheim. Ihm fielen die dunklen Ringe unter den Augen auf und die
hohlen Wangen, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen und längere Zeit
gehungert.
„Ihr seid zu euphorisch, Oheim.“
Mit weit ausgebreiteten Armen
deutete Camillo Borghese um sich. Erschöpft wirkte er und übernächtigt.
Sicherlich zehrten die Tage des Konklaves noch an ihm, aber auch eine nicht
unbedeutende Angst stellte Scipione fest. Unruhig wanderten seine Augen hin und
her, als vermissten sie einen Halt. Dagegen wirkte seine Ausgelassenheit
aufgesetzt.
„Wenn einen das Genie Rafaels auf
Schritt und Tritt begegnet, dann darf man euphorisch sein. Kommt mit in die
Stanza della Segnatura, und Ihr werdet frohlocken. Die größten Geister der
Vergangenheit sehen auf Euch herab.“
Camillo Borghese schritt voraus und
durchquerte die Halle, deren Fresken von der Konstantinischen Schenkung
erzählten: die Schlacht an der Milvischen Brücke gegen Maxentius, dann die
Kreuzesvision Kaiser Konstantins vor der Schlacht, dessen Taufe durch Papst
Silvester und schließlich die Schenkung Roms und des Westreiches selbst durch
den Kaiser Ostroms. Es war eine triumphale Darstellung der Macht der Kirche,
die Scipione sofort in ihren Bann zog. Voller Ehrfurcht blieb er stehen und
ließ die Fresken auf sich wirken. Doch sein Oheim drängte ihn, weiterzugehen.
„Lieber Scipione, ich weiß, dass
Euer Kunstverstand verrückt werden möchte beim Anblick dieser Fresken, aber sie
sind nur von Giulio Romano, und einzig die Entwürfe gehen auf Raffael zurück.
Außerdem beschreiben sie eine Lüge. Weder wurde Konstantin von Papst Silvester
getauft – der war damals nämlich längst tot – noch bekam die Kirche den
Vatikanstaat vom Kaiser geschenkt. Wir wissen es, aber die Kinder der Mutter
Kirche sollen anderes glauben. Und es ist recht so.“
Verstört durch diese Eile und die
Erklärungen zu diesem Freskenreigen ließ Scipione sich weiterführen. Sie
durchquerten eine Stanze, die Scipione nur flüchtig wahrnahm: Das Wunder von
Bolsena, bei dem aus der Hostie eines am Glaubenswunder zweifelnden Priesters
ein Bluttropfen quoll, als er die Messe las, die Vertreibung des Heliodor aus
dem Tempel, der als syrischer Herrscher den Tempelschatz rauben wollte und von
himmlischen Kriegern geschlagen wurde, und schließlich die Vertreibung Attilas
vor den Toren Roms durch Papst Leo I., der den Barbarenkönig zum Rückzug
bewegen konnte.
Erst danach betraten sie einen
Raum, der eindeutig als Arbeitszimmer ausgelegt war, und von dem Scipione
gehört hatte, dass man dort nicht belauscht werden konnte.
„Hierher, Scipione, setzt Euch
hierher und betrachtet Euch das Fresko. Ich hoffe, Ihr vergesst nicht, den Mund
zu schließen. Für einen Kunstliebhaber wie Euch muss es einfach ein Genuss
sein.“
Wie durch Zauberhand bewegt, setzte
sich Scipione Borghese und starrte auf das Fresko ihm gegenüber. Männer, die zu
den berühmtesten ihrer Zeit gehörten, saßen und standen dort in einer weiten
Halle: Aristoteles konnte er entdecken, Platon, Archimedes, Pythagoras, Euklid,
den Vater der Geometrie und andere mehr, deren Namen ihm zwar geläufig waren,
im Augenblick aber nicht einfallen wollten. Zwanglos führten sie in kleinen
Gruppen Gespräche, diskutierten, tauschten Meinungen aus. Die Größe der
Architektur korrespondierte mit der Größe der Geister und der Entfaltung des
Geistes selbst, der sich in ihnen verkörpert hatte.
„Die Schule von Athen hat er es
genannt, der göttliche Raffael. Und sich, Michelangelo, Leonardo da Vinci und
Bramante, die genialsten Köpfe seiner Zeit, neben Ptolemäus in den Gestalten
von Epikur, Heraklit
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