Das Vermaechtnis des Caravaggio
jungen Gonzaga?“
Wieder beugte Enrico das Knie, um
Demut zu zeigen, schließlich erhoffte er sich von der Begegnung einiges. Doch
die scharfen Augen Del Montes zwangen ihn auf.
„Ich halte nichts von Gesten, die
abgeschmackt wirken und so offenkundig eingeübt, dass sie schon wieder aus der
Lächerlichkeit herausfallen und komisch sind.“
„Ich wollte Eure Eminenz nicht
beleidigen ...“
Mit einem Mal zitterten seine Knie,
ohne dass er es verhindert konnte. Seine ganze Haltung drohte aus dem
Gleichgewicht zu geraten. Er versuchte flach zu atmen, sich in die Gewalt zu
bekommen.
„Beruhigt Euch, mein lieber Enrico.
Ihr seid nicht der erste, den es verwundert, dass ein Kardinal Del Monte
bestens Bescheid weiß über die Machenschaften und Spiele unter den Kardinälen
Roms. Wer sich behaupten will, muss mittun, auch wenn es ihm im ersten Moment
verwerflich erscheinen mag.“
Die klaren Augen Del Montes
durchbohrten Enrico regelrecht. Bis hinunter auf die noch mit Kinderhandschrift
bedeckten Seiten seiner Seele blätterte dieser Blick zurück. Lange würde er
diesen Augen, dem spöttischen Lächeln und dem daraus hervorleuchtenden
glasklaren Intellekt des Kardinals nicht widerstehen. Dessen Gesicht wirkte
füllig, ohne den überfetteten Ausdruck des Papstes angenommen zu haben, aber
weich, mit eher weiblichen Zügen. Seine Hände und der spitz zulaufende Bart waren
sehr gepflegt. Mit kurzen, schnellen Schritten durchmaß der Kardinal das Zimmer
und zwang Enrico so, sich ständig um die eigene Achse zu drehen, um Del Monte
nicht den Rücken zukehren zu müssen.
„Ihr kommt der Bilder wegen? Der
Zeichnungen?“
„Ihr habt sie gekauft?“
„Von Cavaliere d’Arpino. Ja. Im
rechten Moment. Ein armer Kerl. Vor zehn Jahren noch einer der glänzenden
Sterne am Kunsthimmel Roms, und heute beinahe ein armer Schlucker. Die Zeit
geht über die Künstler hinweg wie wir über einen Teppich. Ich habe ihn
unterstützt.“
Und dabei ein glänzendes Geschäft
gemacht. Verwundert registrierte Enrico die Mitteilsamkeit des Kardinals. Julia
hatte ihn als eher schweigsamen, nur in seinen Interessengebieten wirklich
aufblühenden, unendlich vorsichtigen Mann geschildert. Mächtig zwar und einflussreich,
hielt er sich stets abseits der Strudel des römischen Malstroms. Beobachter und
Intrigant war er, der von der Peripherie her seinen Einfluss geltend machte und
von dort aus seine Machtstellung verteidigte.
Die Tatsache, dass der Kardinal wie
ein Planet ständig um ihn kreiste, verwirrte ihn zusehends. Enrico musste seine
ganze Konzentration aufbringen, um einen klaren Gedanken zu fassen.
„Ihr werdet allerorten als Sammler
und Freund der Wissenschaften gerühmt.“ Wieder erschien dieses nicht deutbare
Lächeln auf den Lippen Del Montes. Aber Enrico wollte ihm nicht schmeicheln, er
wollte ihn zum Reden bringen. „Ihr umgebt Euch mit den bedeutendsten Männern
der Zeit und scheut Euch nicht, die wissenschaftliche Intelligenz Europas in
Euren Mauern zu beherbergen. Ihr seid zu beneiden, Eminenz.“
Jetzt brach Del Monte in
schallendes Gelächter aus.
„Nun, so will ich Euch über
Caravaggio erzählen. Das ist doch Euer Ziel. Lassen wir das Schmeicheln und
Honigseimen. Ich kenne sie alle: die Schriften Keplers und persönlich Galileo
Galilei, Annibale Carracci, Tizian, van Dijk und Jan Breughel.“ Unaufdringlich
wirkte diese Aufzählung, beinahe so, als wäre es das Selbstverständlichste der
Welt, die geistigen Größen der Gegenwart, die Neuerer und Veränderer, die
Kritiker und Denker um sich zu versammeln. „Wen wundert es, dass mir dieser
junge Wildfang Caravaggio eines Tages über den Weg lief? Sie kommen alle
irgendwann zu mir. Bin ich deshalb nicht der Nabel der künstlerischen Welt
Roms, Enrico? Die Fabbrica des Petersdoms wirkt wie ein Magnet.“ Del Monte
wählte eine Pause, damit seine Worte in ihn eindringen konnten. „Der
Kunsthändler Monsù Valentin empfahl den jungen Maler, und da habe ich mich
seiner angenommen. Das ist alles.“
Endlich stand der Kardinal still.
Enrico schwirrte bereits der Kopf. Vor seinen Augen verschwamm die rotseidene
Tapete.
„Mein Herr meinte, Ihr hättet ihm
nicht nur wesentliche Dinge beigebracht, sondern ihm den Königsweg der Künstler
eröffnet, indem Ihr ihn an Euren Hof geholt habt ...“
„Lieber Enrico. Ich brauchte ihm
nichts beizubringen. Alles lag in ihm, schlief nur. Einzig Kontakte zur
wissenschaftlichen Welt, zum Denken unserer neuen Zeit habe ich ihm
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