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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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und die Indiskretion des Pontifex nicht erste Anzeichen für eine ernsthafte Krankheit waren. In diesem Falle wäre es an der Zeit, ihm unauffällig zu entrinnen. Der nächste Papst würde vielleicht ein Mann Gottes sein.
    »Wir werden Euch rufen lassen, Kardinal de’ Medici.« Der Papst machte eine schlaffe Geste. »Und nun genießt die letzten Sonnenstrahlen. Der Herbst kommt bald.«
    Schweigend erhob sich Giovanni. Der Papst verschränkte seine Arme auf dem Tisch und bettete sein Haupt auf ihnen.

28
    Cintoia, Republik Florenz,
10. September 1497
    Es regnete in Strömen, und über das Dach aus Schiefer schien ein ganzer Bach zu fließen. Mit durchnässter Kutte und regennassen Haaren hielt Bruder Marcello sein Ohr an die Tür.
    Ist es Juni und reif das Heu,
lächelt das Weib ganz und gar nicht scheu,
Ist im Juli, wenn’s ruht, das Heu,
der Jüngling gar gewogen und treu,
so hält sie doch zum Liebesgeleit
den Dolch immerdar bereit.

Der August mit seiner prallen Sonne
Ist ein Monat voll Freud und Wonne,
und nächstes Jahr im Mai,
sind ihrer gar drei.
eins zwei drei, eins zwei drei, eins zwei drei,
freust dich wie ein König – dudeldei,
eins zwei drei, eins zwei drei, eins zwei drei,
Liebster frag nicht nach – dudeldei
eins zwei drei, eins zwei …
    Leonora hielt ein, als sie das laute Geräusch des Schlüssels vernahm, mit dem die Tür ungestüm geöffnet wurde.
    »Schon wieder diese Lieder!« Bruder Marcello atmete schwer. »Wollt Ihr mich in den Wahnsinn treiben?«
    Instinktiv legten sich ihre Hände auf den Leib.
    »Warum singt Ihr nur den lieben langen Tag? Habt Ihr nicht irgendwann genug davon? Ich gab Euch Pergament, Feder und Tinte, und Gott allein weiß, was Ihr damit anfangt. Ihr könnt schlafen, wann es Euch beliebt, Ihr werdet wie eine Gans gemästet, und ich reinige Euren Kübel. Ja, ich erlaube Euch sogar, zweimal am Tag die Kammer zu verlassen.«
    »An der Kette wie ein Hund.«
    »Eher wie eine Hündin.« Der Speichel rann ihm aus dem Mundwinkel. »Und haltet Euch nicht immer die Hände vor den Leib, sobald ich eintrete. Ihr wollt mir doch nicht etwa den Weg des Verderbens aufzeigen?«
    »Ihr beleidigt mich, und das, obwohl ich Euch nichts getan habe. Ihr hingegen habt mir Böses angetan.«
    »Ihr … Ihr wisst nichts über mich. Ich bin ein Gefangener wie Ihr und gezwungen, Euch zu bewachen. Ich habe nicht einmal ein Schaf zur Ablenkung.« Plötzlich sah Bruder Marcello sie misstrauisch an. »Und jetzt nehmt endlich die Hände weg! Oder verbergt Ihr etwas vor mir? Zeigt her!«
    Die Stimme des Mönchs war immer heiserer geworden, als er sich ihr näherte. Instinktiv wich Leonora zurück, die Hände immer noch schützend vor dem Leib haltend. Er drückte sie mit seinem Körpergewicht gegen die Wand; sie wand den Kopf zur Seite und schloss die Augen. Der Geruch von Wein stieg ihr in die Nase, und ihr wurde übel. Er war kräftig. Mit der linken Hand blockierte er ihre beiden Hände und mit der anderen begann er, ihr das Kleid hochzuschieben.
    »Ich bitte Euch …«, stotterte Leonora, »fügt mir keinen Schaden zu, ich kann nicht.«
    »Was könnt Ihr nicht? Oder meint Ihr etwa, dass die Novizinnen, wenn sie Christus ehelichen, nicht zuerst die Bedürfnisse des Abtes befriedigen müssen?«
    »Ich kann nicht«, flüsterte Leonora. »Schaut auf meinen Leib mit den Augen eines Beichtvaters und sagt mir, dass ich recht habe.«
    »Was habt Ihr? Die Räude, Tollwut, Lepra oder die Venuskrankheit? Auch ich bin nicht ohne Fehler, aber glaubt Ihr nicht, dass … Heilige Jungfrau Maria! Euer Leib, Ihr seid in anderen Umständen!«
    Bruder Marcello ließ sie los und taumelte zurück. Er starrte ihren Körper an, als hätte er gerade eine Gotteslästerung begangen, indem er sie berührte.
    »Und wir, geboren aus unseren Ausscheidungen«, begann er zu beten, »und in Schande von der Mutter gezeugt …«
    »Ihr wisst nur allzu gut, dass ich verheiratet bin. Und ja, ich erwarte ein Kind, ein Kind von meinem Mann, von Ritter de Mola.«
    »Warum habt Ihr mir nichts gesagt, ich … ich bin nicht so, wie Ihr denkt.«
    »Ich denke gar nichts über Euch. Ich denke nur noch an das Kind. Den Rest habt Ihr und der, der Euch befehligt, mir genommen. Und ich singe, weil das die einzige Freude ist, die ich diesem Kindlein, das in mir heranwächst, bereiten kann, auf dass es wenigstens vor seiner Geburt Eintracht erfahren möge. Und sollte es nicht geschehen, sollte es nie geboren werden, dann hat es zumindest das bisschen

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