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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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Frieden erfahren dürfen, das ich ihm bis dahin gab.«
    »Also dann gebt Eurem Gatten Nachricht. Eigentlich bin ich nämlich gekommen, um Euch zu sagen, dass Ihr ihm eine Botschaft senden dürft, damit er weiß, dass Ihr noch am Leben seid. Doch fordert das Schicksal nicht heraus, das bis zum heutigen Tage gut zu Euch war … mein Gott … ein Kind …«
    Als Bruder Marcello ihre Kammer verlassen hatte, verspürte Leonora das dringende Bedürfnis zu urinieren. Sie hockte sich über ihren Kübel, aber sie bekam nur mit Not ein paar Tropfen, gemischt mit etwas Blut, heraus. Sie legte sich auf ihr Bett und tastete ihren Bauch ab. Obwohl sie von den Santa-Chiara-Nonnen davongejagt worden war, als ihr Wohltäter das Schulgeld nicht mehr bezahlen konnte, so hatten sie ihr doch beigebracht, ihren Körper zu verstehen, allerdings weniger im Intimen. Diese Symptome hier durften nicht unterschätzt werden, das spürte sie instinktiv. Und sie wusste auch, was zu tun war. Es würde allerdings nicht einfach sein, den Mönch davon zu überzeugen, dass er ihr Erdbeerblüten suchen müsse. Doch sie wollte es wagen; sie würde ihr Leben geben, um dieses Kind auf die Welt zu bringen.

29
    Rom, 12. September 1497,
Palazzo des Fürsten Colonna
    Jeden Tag stieg Īsā aus dem Dörfchen Serdung zum Kloster hinauf. Er musste mehrere Bäche durchqueren, Felsen und Eisflächen überwinden und durch einen engen Pass gehen, der fast unsichtbar zwischen den Felsen lag, immer auf der Hut vor dem wilden Bären. Es seien eindrucksvolle Tiere, erzählten die Mönche, größer als ein ausgewachsener Mann und verantwortlich dafür, dass einige der Ihren in den letzten Jahren verschwunden waren. Das einzige Fell, das die Existenz der Bären bezeugte, wurde sorgfältig im Gönpa des Klosters aufbewahrt.
    Īsā gab Acht, war aber zu glücklich, um Angst zu haben. Die Mühen des Weges schreckten ihn nicht, sondern erfrischten ihn, ja, er fühlte sich von Tag zu Tag stärker und gesünder. Auch die quälenden Erinnerungen an seine Jugend verblassten langsam. Vielleicht war es ja aus diesem Grunde so einfach gewesen, den Bauch Gayas zum Wachsen zu bringen – so behauptete es jedenfalls Sayed. Dieser ging zum Markt, kümmerte sich mit der Hilfe einer Magd aus dem Dorf um das Haus und hielt die Pilger, denen es gelungen war, bis ins Dorf vorzudringen, davon ab, Īsā auf seinem Weg zu Ong Pa aufzuhalten.
    Wenn er abends nach Hause kam, berichtete Īsā den beiden Daheimgebliebenen die Geschehnisse des Tages. Dabei überwältigte er sie mehr durch seine ansteckende Begeisterung als mit den Berichten über die Wunder, die er gesehen hatte. Īsā war glücklich, den Weg des Wassers gefunden zu haben: Er liebte eine Frau, und mit ihr vollendete er das, was er den ewigen Kreislauf des Lebens nannte. Das bedeutete für ihn, dass er nicht umsonst geboren wurde. Und er liebte es, diese heitere Weisheit zu lernen und zu verstehen, von der Ong Pa sagte, sie könne nur im Frieden wachsen. Jedes Mal, wenn er in das kleine Gönpa kam, das sich eng an die Felsen hinter dem Berg schmiegte, kehrte Īsā ein, um vor der Tara-Statue zu beten. Sie hatte alles erschaffen, und diese Berge, die den Himmel berührten, waren ihr erstes Werk gewesen.
    »Wer ist Tara?«, unterbrach Ferruccio Gua Lis Erzählung.
    »Sie ist das weibliche Prinzip, die Perfektion, die sich im Inneren der Weisheit befindet. Alles wird aus ihr geboren. Tara verkörpert die weibliche Macht, die gebiert und aufzieht, beschützt und verändert und die das Wissen der Schöpferin in sich trägt.«
    »Sie ist wie die Große Mutter , von der Giovanni Pico sprach …«
    »Verstehst du nun, warum wir dich suchten?«
    »Ich fühle mich wie in einem Sog.« Ferruccio hielt seinen Kopf zwischen den Händen. »Du kommst von so weit her und sprichst über Dinge, die mir doch so nahe sind. Er hat nie über euch gesprochen.«
    »Über dich allerdings schon: Er nannte Ada Ta deinen Namen und erzählte ihm, dass du der Wächter seiest, dass er dich lieben und dir vertrauen würde. Er bat Ada Ta auch, dich zu suchen, falls er zu früh zur Großen Mutter gerufen würde, um dir das zweite Geheimnis zu offenbaren, für das die Welt damals noch nicht bereit war. Jenes Geheimnis, das verborgen in einem Buch liegt und sich in meinen Worten offenbart.«
    »Eines der Bücher hüte ich.«
    »Es gibt noch ein weiteres Buch – möglicherweise hat er es unter den zahlreichen Büchern, die er wohl besaß, versteckt.«
    »Das ist wahr.

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