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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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seinen Gefährten die Schwerter gekreuzt, doch er verspürte die Pflicht, die Befehle zu respektieren, unauffällig zu bleiben und keine Dummheiten zu begehen.
    So verließ er die beiden, die in ihren Disput vertieft waren, ging an Ada Ta vorbei, der kopfunter meditierend an der Wand hing, und stieg in den ersten Stock hinauf. Er klopfte an Leonardos Tür, aber niemand antwortete ihm. Leise schlüpfte Gabriel in den Raum. Ihn empfing ein Geruch von Kleber, Holz und Papier. Der Florentiner saß auf seinem Stuhl am Arbeitstisch, der mit Blättern bedeckt war, die im Sonnenlicht glänzten. In wenigen Wochen hatte es der Gelehrte geschafft, sich in einer kleinen Kemenate sein ganz eigenes Reich zu erschaffen. Er verbrachte Tag und Nacht darin und stieg nur ab und an zu seinen Reisegefährten hinab. Ganz besonders interessierte er sich für Ferruccio: Leonardo befragte ihn über den Gebrauch von Schlagwaffen und wollte von ihm erfahren, in welchen Schlachten er bereits gekämpft und welche Militärstrategien er dort aufgenommen habe. Aber das größte Interesse zeigte der Florentiner für den menschlichen Körper und seine Grenzen, die wiederum Ada Ta sehr genau zu kennen schien.
    »Schließ die Tür.«
    Gabriel tat, wie ihm geheißen, und schaute Leonardo schweigend über die Schultern. Dieser zeichnete an einer Staffelei das Bildnis eines weiblichen Oberkörpers. Die Frau auf der Leinwand lächelte erhaben, und die Hände, die gefaltet auf ihrem Schoß ruhten, waren beinahe vollendet. Die Landschaft, der Fluss, der See und die Berge im Hintergrund waren noch nicht mehr als eine Skizze. Gabriel schaute genauer hin und erkannte das Antlitz.
    »Aber das ist ja Gua Li!«
    »Meinst du?«, erwiderte Leonardo, ohne sich zu ihm umzudrehen, und ließ den Pinsel kreisen, den er zwischen Mittel- und Ringfinger geklemmt hatte. »Ja, in der Tat, das ist sie. Das Bild ist aber noch nicht fertig.«
    »Es ist wunderschön, Leonardo. Und diese Augen, die dir überallhin zu folgen scheinen und sich in deine Seele eingraben, hast du gut getroffen. Sie sind genau wie ihre Geschichten, die mir manchmal nachts durch den Kopf gehen und mich nicht schlafen lassen.«
    »Ja, die Frauen haben diese Macht über uns.«
    »Wenn ich Euch störe, gehe ich. Ich bin nur deshalb hier, weil mich ihre Diskurse da unten langweilten.«
    »Das war richtig von dir, dass du gekommen bist. Sie reden immerzu über die Seele. Aber sei ehrlich, Gabriel, hast du je die Seele gesehen?«
    »Ich schwöre auf die meine – nein. Außer sie ist der Hauch, der mir ab und an aus dem Hintern entweicht.«
    Leonardo tauchte seinen Pinsel in ein Töpfchen Essig, das über dem Feuer hing. Er nahm die Pinsel, die auf dem Tisch lagen, und säuberte sie sorgfältig mit einem Lappen, der bereits voller schwarzblauer Tintenflecke war.
    »Du beliebst immer zu scherzen, doch in diesem Fall könntest du der Wahrheit ziemlich nahe sein. Ich glaube, dass die Seele etwas Organisches ist und sich wünscht, in ihrem Körper bleiben zu dürfen – denn ohne ihn kann sie nichts tun und nichts verspüren. Was meinst du?«
    Gabriel kratzte sich am Kopf. An seinem Fingernagel blieb eine tote Zecke hängen.
    »Ich weiß gar nichts, lieber Leonardo. Ich weiß nur, wie die Brägen von Kälbern und Lämmern aussehen – zumindest, wenn ich die Taschen voller Geld habe und einen Blick riskieren kann.«
    »Richtig. Die Erklärung, wie die Seele aussieht, sollten wir dem Verstand der Priester überlassen, die durch die göttliche Eingebung immer alles wissen.«
    »Ihr scherzt mit mir, nicht wahr?«
    »Niemals. So wie die gekrönten Schriften die vollkommene Wahrheit sind.«
    »Welche Schriften?«
    »Die gekrönten, Gabriel, die Heiligen Schriften; du wirst doch wenigstens die Bibel kennen, oder?«
    »Ich hab schon verstanden: Ihr wollt mich zum Narren halten. Deshalb überlasse ich Euch Euren Papieren.«
    Plötzlich packte ihn Leonardo am Arm und zog ihn zu sich her. Sein Zögern wurde Gabriel zum Verhängnis: Als ihre Kleidung sich berührte, spürte er die freie Hand des Florentiners, die nach seinen Hoden tastete. Leonardo blickte ihm dabei tief in die Augen, als wolle er seine Seele ergründen, von der Gabriel nicht einmal wusste, ob er sie überhaupt besaß. Bewegungslos harrte er aus, bis die Hand sein Glied erreichte, das nichtsdestotrotz auf diese zarte und doch leidenschaftliche Berührung reagierte. Gabriel versuchte, ihn wegzustoßen, doch Leonardo ließ nicht locker.
    »Leonardo! Ihr seid

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