Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
verbrachte sie auf dem Rücken eines Maulesels.«
Giulia Farnese deutete eine leichte Verbeugung an. Sie wandte sich zu einer anderen Tür und gestattete ihm einen Blick auf die offenen Schnürbänder ihres Kleides. Mit nach oben verdrehten Augen folgte Burcardo ihr und wies Giovanni an, das Gemach zu betreten, aus dem sie gerade gekommen war.
Eine massige, untersetzte Figur in einem bodenlangen gelben Brokatrock stand vor dem großen Fenster und wandte ihm den Rücken zu. Als er eintrat, drehte sie sich um und bot ihm die Hand zum Kuss. Giovanni unterdrückte eine Geste des Ekels, denn er roch an den Fingern des Alten noch den Geruch des Weibes.
»Setzt Euch, Giovanni, und trinkt mit Uns, heute haben Wir etwas zu feiern.«
»Vor einem halben Jahrzehnt hat Spanien sich von den Juden befreit, Eure Heiligkeit. Ist das der Anlass, den Ihr zu feiern wünscht?«
»Wir meinten Eure Verbundenheit mit der sanften Isabella von Kastilien und ihrem Gatten Ferdinand. Ihr verfügt über einen wachen Geist, de’ Medici. Schade, dass Ihr zu Unseren Feinden zählt. Wir feiern heute Unsere Wiedervereinigung mit einer lieblichen Schutzbefohlenen – mehr braucht Ihr nicht zu wissen. Wir kennen Eure Neigungen, für die Savonarola Euch auf den Scheiterhaufen brächte, ahnte er nur etwas davon. Euch zu Ehren würde er das Feuer wahrscheinlich noch mit einer Essenz aus Ölen anreichern. Stimmt es nicht, dass Kräuter, die an Eurem Namenstag gesammelt werden, die Sinne trunken machen?«
»Heiligkeit, die Dinge, die ich um mich herum sehe, betrachte ich mit ausreichender Klarheit, auch ohne Wunderessenzen. Und was die Gerüchte angeht, so berühren sie mich nicht. Doch sollten Gerüchte auf der Waage des heiligen Michael als Wahrheiten in die Waagschale geworfen werden, so wäre die Eure weitaus schwerer als meine.«
»Eure Arroganz gleicht der Eures Vaters, und trotz alledem seid Ihr mit dem Büßerhemd erschienen. Ihr seid doch nicht etwa vom Wahn des Märtyrers angesteckt worden? Nun, in diesem Fall hättet Ihr die Qual der Wahl zwischen dem Nona-Kerker und der Engelsburg.«
»Man kann nie wissen. Einer Ansteckung bin ich bereits entkommen, und für eine zweite ist meine Seele noch nicht bereit.«
»Was meint Ihr?«
»Hat man Euch nicht informiert? Vor einigen Monaten haben sie in Florenz einen Pestherd bekämpft …«
» Chingada su madre, aya la peste!«
» Eure Heiligkeit, bei meinem Glauben, ich war mir sicher, Ihr wüsstet es.«
Alexander VI. sprang von seinem Sessel auf und begann, sich nervös über den Höcker zu streichen.
»Offensichtlich ist Florenz also kein Einzelfall«, fuhr Giovanni fort.
»Wenn ich Euch trauen könnte, dann würde ich Euch erzählen, dass Florenz kein Einzelfall ist, und wenn ich Euer Verbündeter wäre, würde ich Euch sogar anvertrauen, dass kürzlich weitere Fälle aufgetreten sind – willkürlich über unsere ganzen Territorien verteilt.«
»Die Pestilenz ist wie das Wort Gottes, das von der Kanzel ausgeht und sich wie ein Netz über die Menschen legt.«
»Nicht in den Fällen, die uns zugetragen wurden.«
»Und auch nicht in Florenz. Sie ist angekommen, hat getötet und verschwand dann wieder wie ein stiller Meuchelmörder.«
»Gott sendet keine Meuchelmörder aus, und seine Engel benutzen die Schwerter und nicht den Hauch des Todes.«
»Dann war es also der Teufel. Er ist allgegenwärtig und hat viele Anhänger, allen voran die Frauen.«
»Ihr zitiert recht, vergesst nicht, dass Wir es waren, die den Malleus Maleficarum drucken ließen. Schwarze Magie? Quod ubique, quod semper, quod ad omnibus creditum est. Wir halten fest an dem, was immer, überall und von allen geglaubt worden ist? Nein, Wir glauben eher an die menschliche Bosheit, und Wir haben Unseren Sohn Cesare geschickt, um Nachforschungen anzustellen.«
» Perfectus ad perfecta, si licet, sancte pater – der Vollkommene für das Vollkommene, wenn es möglich ist, Heiliger Vater.«
Alexander VI. schüttelte mehrmals den Kopf, doch dem Kardinal erschien es, als suchte er ein vages Lächeln zu verbergen. Alexander erhob sich und ging zu einem Schränkchen, schloss es auf und nahm eine Glaskaraffe und zwei wertvolle Gläser aus venezianischem Kristall heraus.
»Wir kennen noch nicht den Grund, warum Ihr Uns treffen wollt, schätzen aber Eure Bemühungen. Bevor Ihr Uns jedoch den Grund Eures Besuches nennt, möchten Wir, dass Ihr mit uns trinkt, Medici. Dieses süße Getränk verscheucht die schlechten Gedanken –
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