Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
Eichhörnchen und Marder, die der Präfekt besonders zu mögen schien. Am liebsten hatte er es, wenn er das Tier noch lebend vorgelegt bekam und ihm selbst die Gurgel aufschlitzen konnte. Dann trank er, wohlig erschaudernd, das frisch aus dem Hals sprudelnde Blut.
Cesares weitere Reise führte ihn und seine Ritter gen Osten durch die Buchenwälder. Stillschweigend warfen sie ab und an einen flüchtigen Blick auf die Hügel, von denen man sich erzählte, dass dort in einer Höhle die unsterbliche Sibylle hauste. Dann erreichten sie das Kloster San Lorenzo bei Doliolo.
Die Benediktinermönche gehorchten ihrem Abt und gewährten ihnen Gastfreundschaft – so, wie es die heilige Pflicht gebot. Sie teilten ihre Nahrung mit Cesare und seinen Männern und respektierten stumm die Zügellosigkeit ihrer Gäste. Einsilbig bestätigte der Abt, von kleineren Pestherden gehört zu haben, und setzte für sie ein Schreiben an Julius Caesar Varano, den Herzog von Camerino, auf. Borgia schwor sich, dass er diesen Mann und seine Nachkommen bei nächster Gelegenheit eigenhändig umbringen würde. Nicht nur, dass er seinen Reichtum unverhohlen zur Schau stellte, er zahlte auch unter fadenscheinigen Ausreden keine Abgaben und machte sich über die Ermahnungen des Papstes, seines Vaters, lustig. Außerdem trug er, als wolle er Cesare verspotten, den Namen Julius – den eigentlich nur ihm zustehenden Namen Caesars des Großen.
Das Zusammentreffen Cesares mit dem Herzog war kurz und unterkühlt. Julius Caesar wunderte sich über diesen Besuch und wiederholte mehrmals das, was er dem Heiligen Vater bereits geschrieben hatte. Die Pest habe die Familie eines Notars, die Smeducci, angegriffen. Alle seien sie gestorben – bis auf die jüngste Tochter. Sie sei nun sein Gast, und es wäre nicht angebracht, sie nochmals mit unnötigen Zeugnissen über die Tragödie zu belasten. Die Wundärzte hätten erklärt, dass die Ansteckung gebannt und das Haus verbrannt worden sei, um den todbringenden Schwaden Einhalt zu gebieten. Außerdem, beeilte der Herzog sich hervorzuheben, handele es sich bei den Smeducci um einen Einzelfall, so einzigartig und unaufhaltsam, wie es die Stärke der linken Hand Gottes war. Im Übrigen sei es ihm leider nicht möglich, ihnen Gastfreundschaft zu gewähren, da am heutigen Abend ein Fest stattfände und die Anwesenheit des päpstlichen Erstgeborenen nach dem schrecklichen Ende des anderen Sohnes kein gutes Omen und für die Seelenruhe abträglich sei.
Als sie über die Hängebrücke davonritten – von Schützen mit Armbrust im Anschlag flankiert –, neigte sich Micheletto, ohne abzusteigen, vom Pferd, sammelte Kuhdung auf und schleuderte ihn wütend gegen die Festungsmauern.
»Bevor er trocken ist«, wandte er sich an seinen Herrn, »werden sie Eure Gnade erflehen, Cesare.«
Erst als sie am Fuße des Titano-Berges ankamen, war ihre Wut verflogen. Cesare und seine Männer machten halt und bewunderten den Felsen über ihnen mit dem dünnen Turm, der wie ein gen Himmel ausgestreckter Arm aussah.
»Auch wenn der heilige Marino sie seit Jahrhunderten vor den Abgaben bewahrt hat – König Cesare wird nicht so großmütig sein. Jesus hat gesagt: Gebt Gott, was Gottes ist, und Cesare, was Cesares ist . Nicht wahr, Micheletto?«
»Und wenn Ihr König seid und mich zum Ministerialen macht«, grinste dieser hämisch, »dann werde ich Euch eine Statue auf dem Kapitol errichten, mein Herr, und alle Verlobten werden zu ihr gehen und ihr Glied berühren, damit sie heiraten und mit Kindern gesegnet werden.«
»Das reicht. So sei es – du bekommst dein Lehen, und die besten Weiber, die durch mein Bett wandern, werde ich zu Ministerialinnen ernennen.«
Cesare und Micheletto gaben ihren Pferden die Sporen. Die anderen folgten ihnen.
»Auf dass Euer Wille geschehe!«, schrie Micheletto. »Und auf dass die Verräter verrecken mögen!«
In der Nähe von Rimini überquerten sie die Brücke, die über das fast ausgetrocknete Flussbett des Aussas führte, als sie von einem Kapitän und zwei Reitern eingeholt wurden, die das Wappen von Pandolfo Malatesta trugen.
»Mein Herr bittet Euch, zu ihm in die Kapelle zu kommen – Burg Sismondo steht unter Quarantäne.«
Der Kapitän ritt im Trab voran, und seine Truppe folgte ihm. Cesare ließ die anderen vor. Diesmal hatte die Pest auf ihn gewartet. Er betrat als Letzter die Burgkapelle und achtete peinlich darauf, nichts – nicht einmal die Wände – zu berühren. Es gab keinen
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