Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
Vom Netzwerk:
Leonora. Leonora war die Seinige, und sie wohnte in einem Nest seines Herzens, in das niemand eindringen konnte und durfte. Was aber fühlte er dann für Gua Li? Vielleicht wollte er nur deshalb ihre ganze Aufmerksamkeit, weil sie seinen Panzer geöffnet hatte. Und er fühlte sich ihr und Ada Ta zugehörig, weshalb er niemanden in ihrer Nähe haben wollte – wie ein Kind, das ein Geschwister bekommt und am Anfang gezwungen wird, es zu lieben, aber eigentlich erst später wirklich dazu fähig ist. Er hörte nur noch die letzten Worte, mit denen Gua Li sich an Osman wandte.
    »… wie hast du uns nur finden können? Und vor allen Dingen, wie bist du in dieses Gefängnis für Könige und Königinnen vorgedrungen? Uns fehlt es hier an nichts außer der Freiheit, doch ohne sie ist alles nichts.«
    »Es war Allah«, flüsterte er, »oder eine andere himmlische Macht. Vielleicht waren es auch die Worte von Jesus, die mich durch deinen Mund vor der Pestilenz gerettet haben.«
    Osman zeigte den Orientalen die schwarze, eiförmige Narbe an seiner Seite. »Die Seuche reiste mit uns auf dem Schiff.«
    Irritiert schaute Gua Li zu Ada Ta. Dieser zog sorgenvoll die Augenbrauen hoch. Auf der ansonsten so glatten und alterslosen Stirn bildeten sich dicke Falten. Dieses Mal wusste er keine Antwort.
    Augenblicklich dachte Ferruccio daran, was der Familie Serristori vor Monaten zugestoßen war, und erinnerte sich an die Begegnung mit ihrem Diener: Wie dieser sich ein letztes Mal im Schlamm aufgebäumt hatte und dann vor seinen Augen gestorben war. Instinktiv, einer Ahnung folgend, wollte er etwas sagen, als der wachhabende Hauptmann von Herzog Colonna, ohne zu klopfen, eintrat.
    »Mein Ritter«, wandte er sich an ihn, »Euer Knappe – unten bei den Wachen; er hat eine böse Wunde und verlangt nach Euch.«

37
    Rom, 17. November 1497
    Gabriel lag auf einer dunklen Decke und hielt sich mit seiner blutigen Hand die rechte Seite. Seine Augen waren geschlossen, aber er schien nicht zu leiden. Ferruccio kniete sich über ihn und erkannte auf seinem Gesicht die Zeichen des nahen Todes.
    »Wer hat dich so zugerichtet?«
    »Wenn ich es wüsste, würde ich ihn sogleich in der Hölle aufsuchen«, stöhnte Gabriel. Sein Gesicht verzerrte sich nun doch vor Schmerz. »Der Feigling hat mich aus dem Hinterhalt erwischt!«
    Er versuchte sich aufzurichten; Ferruccio half ihm dabei. Zwei dunkle Blutflecke unter dem Schulterblatt und unter dem rechten Rippenbogen zeigten, wo die Klinge das Leder durchbohrt, wo sie in den Körper eingedrungen und wo sie wieder ausgetreten war. Es konnte kein Dolch gewesen sein, schloss Ferruccio; wahrscheinlich ein Dussack. Um ihn zu führen, bedurfte es großer Kraft und noch größerer Geschicklichkeit. Also ein gedungener Meuchelmörder, kein Spitzbube aus der Gosse. Diese Klinge, schmal am Ansatz und mit breiter Spitze, war gnadenlos, denn sie verletzte die inneren Organe. Bereits beim Eindringen richtete sie mörderische Schäden an. Gabriel blieb nicht mehr viel Zeit. Um ihm Trost zu spenden, hob Ferruccio seinen Körper ein wenig an. Wenigstens würde er nicht alleine, sondern in den Armen eines anderen Menschen sterben. Lange verharrten sie in dieser Position. Gabriel schien wirklich zu schlafen. Ferruccio rechnete damit, dass Gabriel jeden Moment aufhören könnte zu atmen. Da öffnete er die Augen, und Ferruccio beugte sich zu ihm herunter.
    »Herr …«
    »Streng dich nicht an und nenne mich nicht so, das habe ich dir schon tausendmal gesagt!«
    »Nehmt Euch vor Leonardo in Acht, er ist ein … Sodomit.«
    »Ich werde die Arschbacken schon zusammenkneifen, mein Freund.«
    »Nein … nicht deswegen. Sodomiten haben immer Geheimnisse …«
    Gabriels Stimme war nur noch ein Flüstern, und Ferruccio musste das Ohr an seinen Mund halten. Was auch immer es war, das er ihm sagen wollte, es würden seine letzten Worte sein.
    »Ich habe ihm nicht getraut … heute Nacht ist er verschwunden … er eilte zum Palazzo von Kardinal Sforza … ich bin ihm gefolgt, als er wieder herauskam, und habe gesehen, wie er dann am Campo de’ Fiori auf die Hunde wettete und schließlich hierher zurückkam. Sie haben mich beim Pissen erwischt … hinterrücks … was für ein hässlicher Tod.«
    »Der Tod ist immer hässlich, Gabriel. Vielleicht gibt es etwas danach, für das es wert war zu sterben.«
    »Es hat keinen Sinn mehr, dass Ihr zu ihm sprecht, mein Ritter.« Der Kapitän der Wachen legte Ferruccio eine Hand auf die Schulter.

Weitere Kostenlose Bücher