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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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nicht dumm, doch sein Schicksal ist, das Überleben des Bären zu sichern. Der Tod Gabriels, des Mannes mit den vielen Gesichtern, und die Ankunft Osmans, des Einbeinigen, sind kein Zufall.«
    Gua Li war erleichtert, als der Mönch in den Lotussitz zurückkehrte und behände aufsprang.
    »Die Chakren der Erde fließen schnell wie kräftige Winde, welche die Samen weit wegtragen. In den Himmelsgewölben steht alles kopf: Der Tag wird zur Nacht, der Tod zu Leben und die Gleichgültigkeit zu Liebe. Auch die gute Nahrung, die den Gaumen erfreut, wird Mist und der zu Dung, welcher wohlschmeckende Früchte hervorbringt.«
    »Ada Ta …«, bat Gua Li.
    »Oh, ja, meine Tochter. Du hast recht. Das lange Leben dieses Alten verlängert auch seine Gedankengänge – dabei müsste er doch wissen, dass die Zeit, die ihm noch bleibt, kurz ist und dass der in die Luft geworfene Kiesel erst langsam an Kraft verliert, dann aber mit der Geschwindigkeit eines Blitzes auf die Erde stürzt.«
    »Ada Ta!«, unterbrach Gua Li ihn erneut. »Ich bitte dich, sage uns, was du denkst.«
    »Ganz einfach: Das Buch Īsās und deine Worte hätten der Honig sein sollen, um eine neue Königin damit aufzuziehen. Die naschhaften Bären haben jedoch entschieden, ihn unter sich aufzuteilen.«
    »Also?«, fragte Ferruccio. »Was schlägst du vor?«
    »Der Kapitän der Wachen ist weise wie ein alter Elefant. Du und Gua Li geht mit Osman. Ich habe in sein Herz gesehen: Er hat noch viel zu sagen und zuzuhören und wird Eure Schiffe in einen sicheren Hafen lenken.«
    »Und du?«
    »Ich, meine Tochter, muss den Honig verstecken und einen Bären gegen den anderen ausspielen.«
    »Das kommt nicht in Frage. Ich möchte nicht, dass du hier bist, wenn die Bären nach dem Honig suchen.«
    »Wenn die Biene dem Bären ins Auge sticht, kann sie die Schlacht gewinnen.«
    »Wenn sie dabei jedoch ihren Stachel verliert, stirbt sie.«
    »Der weise Sun Tzu sagte: Manchmal muss man eine Schlacht verlieren, um den Krieg zu gewinnen.«
    »Er sagte aber auch, dass die beste Schlacht diejenige ist, die wir nie austragen mussten.«
    »Ich bitte Euch!«
    Ferruccio war laut geworden und gebot den beiden mit erhobenen Händen Einhalt.
    »Ich werde nicht hierbleiben, und ich werde nicht mit Osman gehen. Ich kehre nach Florenz zurück, und irgendjemand wird mir helfen, Leonora wiederzufinden – tot oder lebendig.«
    Ada Ta näherte sich Ferruccio und legte ihm sanft die Hand auf die Schulter.
    »Ich verstehe deinen Wunsch, den wir alle teilen. Doch um als Erster auf die Spitze des Berges zu gelangen, darf man nicht den direkten Weg suchen, sondern muss die verschlungenen Pfade nehmen.«
    Das, was Ferruccio zunächst wie eine zarte Berührung am Hals empfand, verwandelte sich plötzlich in einen eisernen Griff, und ihm wurde schwindlig. Er hatte keine Zeit mehr zu reagieren, und das Letzte, was er wahrnahm, bevor er das Bewusstsein verlor, waren Ada Tas Arme, die ihn auffingen.
    »Was hast du mit ihm gemacht?«
    Gua Li stürzte zu Ferruccio und presste seinen Kopf an ihre Brust. Ada Ta lächelte.
    »Nichts Schlimmes, meine Tochter. Das mache ich auch mit dir, wenn du nicht einschlafen kannst. So, und nun hurtig: Erwärme Mohnsamen und lass ihn den aufsteigenden Duft einatmen. Heute Nacht nehmt ihr ihn mit. Wiederhole diese Behandlung drei Tage lang – aber keinen Tag mehr, hast du verstanden? Ich werde nachkommen. Falls mir das nicht gelingt, dann lass den Vogel aus dem Käfig und fliege mit ihm davon. Osman?«
    » Inshallah …«
    »Genau: So Gott will, wird es so geschehen.«
    In dieser Nacht verließen ein alter Soldat, ein Krüppel und eine junge Frau den Palazzo Colonna durch eine Seitentür. Sie folgten verschlungenen Wegen durch enge Gassen, bevor sie zu einem Gebäude gelangten, das schon einmal bessere Zeiten gesehen hatte. Die nach Norden gerichtete Hausfront war mit Efeu überwuchert, dessen verzweigtes Netz aus Ästen die Mauern mit der Zeit befestigt hatte. Die beiden Männer trugen einen zusammengerollten Teppich auf ihren Schultern.
    »Ich habe nicht mehr dieselbe Kraft wie früher.« Keuchend legte Kapitän Britonio den Teppich auf dem Boden ab. »Die Mutter meines Sohnes Girolamo hat recht, wenn sie sagt, dass ich zu nichts mehr zu gebrauchen bin, weder im Bett noch sonst wo.«
    »Komm, eine letzte Anstrengung noch«, bat Osman und hob die Last wieder hoch. »Es sind noch drei Stockwerke.«
    Das Geräusch herannahender Schritte ließ sie erschreckt innehalten. Ein

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