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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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atmete erleichtert auf, als Bayezid seine Arme ausstreckte, um das Geschenk entgegenzunehmen. In diesem Moment sprang der Hauptmann der Janitscharen, Ibn Said, über die Körper der Derwische und riss den alten Jehudà Caro brutal zu Boden. Zugleich zog er einen Krummdolch aus seinem Ärmel und stürzte sich auf den Sultan. Sein Schrei hallte durch den ganzen Saal.
    »Tod dem Kafir! Allah Akbar ! Allah ist groß!«
    Wortlos ging Ada Ta in die Knie und stieß geschickt seinen Stock zwischen die Füße des Janitscharen, sodass dieser das Gleichgewicht verlor und in seine eigene Klinge stürzte.
    Bayezid hatte der Szene regungslos beigewohnt und war über die Beleidigung seines Königreiches eher überrascht als verärgert. Entsetzt starrte er auf die Miniatur. Eines der Minarette war zerbrochen, und ein paar der zierlichen Obsidianziegel waren vom Dach gefallen und auf der Maserung des Marmorbodens nicht mehr aufzufinden. Ada Ta war flink auf seinen Platz zurückgekehrt und überließ es den Wachen der Garde, sich um den verletzten Attentäter zu kümmern. In manchen Situationen riskierte auch der, der im Recht war, mit dem Bösewicht verwechselt zu werden. Gua Lis Herz begann wieder zu schlagen. Im ersten Moment hatte sie schon Ada Ta vor sich gesehen – mit dem Attentäter verwechselt und erschlagen.
    Es schmerzte den Sultan, als er sich bewusst wurde, dass der Attentäter sein treuer Ibn Said war, und zugleich verblüffte es ihn, dass Ibn Said just diesen Moment ausgesucht hatte, um ihn umzubringen – er hatte so viele Gelegenheiten gehabt. Offenbar war es ihm aber darauf angekommen, Aufsehen zu erregen und für Aufruhr zu sorgen. Hätte dieser fremde Mönch nicht interveniert, wäre er heute mit seinem toten Vater wiedervereint worden. Und es stünde nicht zu erwarten, dass der Alte sich friedfertig zeigte und nicht noch immer auf Rache sann – trotz der zweiundsiebzig Jungfrauen, an denen er sich in den letzten Jahren im Paradies hatte erfreuen dürfen.
    Bayezid näherte sich seinem Angreifer und kam Ibn Said so nah, dass er dessen schweren Atem spüren konnte, als einer der Soldaten dessen Kopf an den Haaren hochriss. Ibn Saids Blick war voller Hass, ohne den Hauch eines Bedauerns oder der Bitte um Gnade. Bayezid drehte ihm den Rücken zu. Ibn Said war bereits ein toter Mann, das wusste er selbst am besten. Seine eigenen Männer würden ihn mit den raffiniertesten Foltermethoden, die sie meisterhaft beherrschten, zwingen, den Namen seiner Auftraggeber zu verraten. Über dem Saal lag Totenstille, die nur durch die holprige Stimme des Großwesirs unterbrochen wurde.
    » Subhana Rabby al-’alaa !«, schrie er. »Der Herr sei verherrlicht, unser Höchster! Unser Sultan ist in Sicherheit!«
    » Amin! Allahu Akbar! Allah ist groß!«, riefen alle aus, einschließlich der Juden und Italiener.
    Umgehend befahl der Großwesir den Wachen, den Attentäter mit ausgestreckten Armen auf die Knie zu zwingen. Er griff nach einem Krummsäbel und stellte sich neben ihn. Die Klinge erhob sich und – einen Augenblick im Licht glänzend – sauste sie auf den Hals des Attentäters nieder: Der Kopf Ibn Saids rollte vor Ada Tas Füße. Es war der Großwesir, der den noch bluttriefenden Kopfe ergriff und demonstrativ in die Höhe hielt.
    Bayezid warf dem Großwesir einen erstaunten Blick zu, der zu fragen schien: Warum hast du das getan?
    »Das ist die Shari’a, mein Sultan.« Abdel el-Hashim senkte den Blick und überreichte den Wachen den Kopf. »Er hat es gewagt, die Hand gegen Euch zu erheben, und dafür hat er den Tod verdient. Vor Allah und allen hier anwesenden Ungläubigen durfte er nicht am Leben bleiben. Sollte Euch meine Geste betrübt haben, so bitte ich um Verzeihung, mein mächtiger Herr.«
    Der Legat Grimani wandte sich schadenfroh an Barbarigo.
    »Ihr hattet recht, sie hängen hier wirklich niemanden – sie schlagen ihnen nur die Köpfe ab.«
    Während Barbarigo nach Worten suchte, um dieses ironische Grinsen von Grimanis Mund zu vertreiben, begann Faiza Valide, die Frau des Sultans, einen Zaghareet anzustimmen: den Schrei der Freude und gleichzeitig eine Aufforderung an alle muselmanischen Frauen und Mädchen, es ihr gleichzutun. Sobald der durchdringende Ton des vielstimmigen Zaghareet aus dem Saal drang, stimmten die Frauen in den Gärten, Küchen und Frauengemächern mit ein, und in kürzester Zeit wurde der gesamte Serailpalast davon erfasst. Das Zaghareet durchdrang die Mauern, erklang in den Straßen und

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