Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
weißen ausladenden Dulbend wiegte sich ein Aufsatz aus feinstem schwarzem Pferdehaar, der von einer Schnalle gehalten wurde, auf der ein riesiger Rubin saß.
» Bismillak ar rahmani ar rahim , im Namen Gottes, dem Gnädigen und Barmherzigen«, betete Bayezid. »Friede und Segen allen Anwesenden und dem Propheten Mohammed, gepriesen sei Sein Name. Es ist mir eine Freude, denen zu verkünden, die noch nicht das Glück hatten, den Glauben erfahren zu dürfen, dass der Islam nicht nur Gehorsam und Unterwerfung unter den Herrn, unseren Gott, bedeutet, sondern auch für Frieden steht. Der Gesandte Gottes, Mohammed – Frieden und Segen sei mit ihm –, befahl uns, den Friedensgruß zu verbreiten und die Gäste zu ehren: Männer, verbreitet den Frieden, sprach er, gebt Nahrung, besucht die Verwandten und betet bei Nacht, wenn die Menschen schlafen. So werdet ihr Frieden finden und in das Paradies eintreten.«
Bayezid berührte flüchtig mit der rechten Hand sein Herz und die Lippen und neigte leicht den Kopf. Damit war die Zeremonie offiziell beendet, und der Sultan bereitete sich darauf vor, von den Anwesenden seine Geburtstagsgeschenke entgegenzunehmen. Schon bildeten sich die ersten Grüppchen, und die Vertreter der Regierungen und Handelsgilden nutzten die Gelegenheit, um über Geschäfte zu plaudern: So mussten sie sich nicht die Blöße geben und um separate Audienzen bitten. Gua Li konnte sich zwischen den Männern zu Ada Ta durchschlängeln.
»Ich glaube nicht, dass der Sultan heute Zeit haben wird, mich anzuhören.«
»Der Fisch entscheidet, wann er anbeißt – und erst dann ist es am Fischer, an der Leine zu ziehen. Beobachte gut, meine Tochter, wie schwach die Macht ist und wie sie immer wieder erneuert und ausgeübt werden muss. Die Kuh schreit, wenn ihr niemand das Euter leert.«
Als Erste näherte sich dem Sultan die Frau mit dem schwarzen Schleier und den roten Halbmonden. Während Gua Li neben ihr stand, hatte sie die ganze Zeit einen unangenehmen Geruch, verfaulten Pilzen gleich, wahrgenommen.
»Das ist Faiza Valide, Bayezids Ehefrau«, flüsterte ihr Ada Ta zu. »Sie ist eine tscherkessische Prinzessin.«
Als sie sich vor ihrem Gatten verbeugte, klimperten die vielen Goldringe ihres Hidschabs. Die öffentliche Ehrerbietung gehörte zu ihren religiösen Pflichten als Ehefrau. Sie war im Serail als die gläubigste Muselmanin bekannt und befand sich immer in Begleitung eines riesigen Eunuchen, der auf Schritt und Tritt eine Miniaturausgabe des Korans bei sich trug. Eine kleine Handbewegung von ihr – und er las eine der hundertfünfzig Suren, die er nach dem Zufallsprinzip aussuchte, damit sich der Wille Allahs – wie er an jenem Tag oder zu jener Stunde auch immer sein mochte – manifestiere.
Vor aller Augen deutete Bayezid eine Geste an, um ihr Gesicht zu berühren, doch Faiza wich zurück.
»Warum verhält sie sich so?«, flüsterte Gua Li Ada Ta zu.
Dieser hielt seine Hand vor den Mund, damit niemand ihre Worte hören konnte.
»Bayezid, der Gerechte, hat ihren Vater umgebracht, dessen Lieblingstochter sie gewesen war. Und so hat er sich den Thron geholt.«
»Woher weißt du diese Dinge?«
»Ich stelle Fragen, so wie du.«
Faiza spürte, dass alle Blicke auf sie gerichtet waren – umso stolzer war sie auf ihre Geste. Es war ihr heiliges Recht und vom Propheten gestattet, sich nicht von ihm berühren lassen zu müssen. Durch den Mord an ihrem Vater war ihr Gatte zu einem Kafir, einem Ungläubigen, geworden.
Als sie zurückwich, gelang es dem Großwesir Abdel el-Hashim, sich dem Herrscher zu nähern. Der Wesir kniete zu Bayezids Füßen und küsste den Saum seines Gewandes. Dann waren die Söhne des Sultans an der Reihe, die sich vor ihrem Vater auf den Boden warfen, der jedoch nur einige von ihnen erkannte. Von der endlosen Prozession müde und gelangweilt, setzte sich Bayezid auf den imposanten Baldachinthron, der mit wertvollen Edelsteinen und Gold- und Perlmuttintarsien bedeckt war. Über seinem Haupt hing an einer Seidenkordel ein riesiger grüner Smaragd, der durch die Luftbewegung sanft hin und her pendelte, um den Sultan von oben mit göttlichen Strahlen zu segnen.
»Das ist das Symbol des Islam.« Ada Ta deutete mit einer Kopfbewegung in Richtung Baldachin. »Jeder, der es wagt, sich dem Stein zu nähern, riskiert seinen Kopf.«
Seine Worte veranlassten Gua Li, sich zu einem Janitscharen umzudrehen, der nervös am Knauf seines Krummsäbels herumspielte. Die Eleganz seiner
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